Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)
schwer, sich vorzustellen, wie man so viel Geld überhaupt ausgeben konnte. Er würde also die Schule schmeißen, was vielleicht sowieso ganz gut war, wenn man bedachte, was Diondra da wegen Krissi Cates aufgeschnappt zu haben glaubte.
Es war schon seltsam – zuerst hatte es ihn echt nervös gemacht, dass diese Gerüchte in Umlauf waren, aber dann war ein Teil von ihm plötzlich irgendwie stolz gewesen. Auch wenn Krissi bloß ein kleines Mädchen war, gehörte sie doch zu den coolen Kids. Sogar einige von den Schülern aus der Highschool kannten sie, die älteren Mädchen begegneten ihr mit Respekt und Interesse, sie war ein hübsches, guterzogenes Mädchen, da war es doch irgendwie cool, dass sie sich in ihn verliebt hatte, auch wenn sie noch so jung war, und er ging fest davon aus, dass es sich bei dem, was Diondra ihm gerade gesagt hatte, nur um eine ihrer üblichen Übertreibungen handelte. Manchmal wurde sie eben hysterisch.
»Hey, hallo? Versuch doch wenigstens, mir zuzuhören. Ich hab gesagt, ich finde, wir müssen weg von hier.«
»Dann machen wir das.« Ben versuchte, sie zu küssen, aber sie schubste ihn weg.
»Echt, einfach so? Wo sollen wir denn hin, wer gibt uns Geld? Ich krieg dann nämlich bestimmt kein Taschengeld mehr, weißt du. Du wirst dir einen Job suchen müssen.«
»Dann such ich mir eben einen Job. Was ist denn mit deinem Onkel oder deinem Cousin oder wer das war, mit deinen Verwandten in Wichtia?«
Sie starrte ihn an, als wäre er verrückt geworden.
»Der mit dem Sportgeschäft«, half er ihr auf die Sprünge.
»Da kannst du doch nicht arbeiten, du bist doch erst fünfzehn! Du kannst ja nicht mal Auto fahren. Genau genommen glaube ich, du kriegst überhaupt keinen richtigen Job ohne die Erlaubnis deiner Mutter. Wann wirst du noch mal sechzehn?«
»Am 13 . Juli«, antwortete er und fühlte sich, als hätte sie ihm gerade gesagt, er hätte in die Hose gemacht.
Auf einmal begann sie zu weinen. »O mein Gott, o mein Gott, was sollen wir bloß machen?«
»Kann dein Cousin uns denn nicht helfen?«
»Mein
Onkel
wird es natürlich sofort meinen Eltern erzählen, wie sollte uns das helfen?«
Sie stand auf und ging nackt durchs Zimmer. Ihr Bauch wirkte, als brauchte er dringend einen Halt, und Ben hätte ihn am liebsten mit der Hand gestützt. Dabei würde er ja noch viel größer werden. Ohne Klamotten wanderte sie weiter in die Dusche, über den Flur, den Trey von der Couch aus problemlos überblicken konnte. Kurz darauf hörte Ben, wie die Dusche anging. Gespräch beendet. Er wischte sich mit einem miefigen Handtuch ab, das neben Diondras Wäschekorb lag, zwängte sich dann wieder in die Lederhose und das gestreifte T-Shirt, setzte sich auf die Bettkante und überlegte, welchen neunmalklugen Kommentar Trey wohl abgeben würde, wenn sie wieder im Fernsehzimmer auftauchten.
Ein paar Minuten später flitzte Diondra ins Schlafzimmer, in ein rotes Handtuch gewickelt, die Haare nass, und nahm, ohne Ben eines Blickes zu würdigen, vor der Spiegelkommode Platz. Sie spritzte sich einen großen Hundehaufen Schaumfestiger auf die Hand, knetete sich das Zeug in die Haare und richtete dann den Föhn auf die so bearbeitete Stelle – spritz, knet, wusch, spritz, knet, wusch.
Ben war unsicher, ob er das Zimmer verlassen sollte oder nicht, also blieb er unschlüssig auf dem Bett sitzen und versuchte, Diondras Aufmerksamkeit zu gewinnen. Inzwischen goss sie sich aus einer Tube Make-up auf die Hand, wie ein Maler seine Farben auf die Palette drückt, und rieb es sich ins Gesicht. Manche Mädchen nannten Diondra ›Maskengesicht‹, das hatte Ben gehört, aber ihm gefiel die Schminke auf Diondras Gesicht, das glatt und gebräunt aussah, auch wenn ihr Hals darunter manchmal seltsam weiß wirkte, wie Vanilleeis unter Karamellsauce. Dann trug sie drei Lagen Mascara auf – es mussten immer drei Lagen sein: Die erste, um die Wimpern dunkel zu machen, die zweite, damit sie dichter wirkten, und mit der dritten strebte sie einen zusätzlichen dramatischen Effekt an. Schließlich kam noch der Lippenstift: Grundlage, Oberfläche, Glanz. Auf einmal merkte sie, dass Ben sie ansah, und hielt inne, nachdem sie sich die Lippen mit kleinen Wattedreiecken abgetupft und klebrige purpurne Kussmünder darauf hinterlassen hatte.
»Du musst Runner um Geld bitten«, sagte sie und sah ihn im Spiegel an.
»Meinen Vater?«
»Ja, der hat Geld, oder nicht? Trey kauft immer Gras von ihm.« Sie ließ das Handtuch fallen,
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