Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)
sagte er, denn er dachte, wenn sie erst mal unterwegs wären, würden die beiden ihren Plan rasch wieder vergessen. Er selbst war ja schon drauf und dran. Sein Gehirn schnürte sich zusammen und wurde neblig. Er wollte nach Hause.
Im Nu war Trey aufgesprungen, klimperte mit den Autoschlüsseln –
ich weiß, wo wir Runner finden
–, und plötzlich waren sie draußen in der Kälte, stapften durch Schnee und Eis, und Diondra bestand darauf, sich bei Ben unterzuhaken, damit sie nicht hinfiel. Was wäre, wenn sie fällt?, überlegte Ben. Was, wenn sie fällt und stirbt? Oder wenn sie das Baby verliert? In der Schule hatte er einmal gehört, wie sich ein paar Mädchen darüber unterhielten, dass man eine Fehlgeburt auslösen konnte, indem man jeden Tag eine Zitrone aß, und eine Weile hatte er tatsächlich überlegt, Diondra heimlich Zitrone in ihre Cola light zu schmuggeln. Aber dann war er zu dem Schluss gekommen, dass er so was nicht tun konnte, ohne es ihr zu sagen. Aber was, wenn sie hinfiel? Doch sie fiel nicht, und stattdessen saßen sie auf einmal in Treys Truck, die Heizung blies ihnen warme Luft entgegen, und Ben kauerte wie immer auf dem Rücksitz – genau genommen war es ein halber Rücksitz, auf dem bestenfalls ein Kind Platz gehabt hätte, so dass seine Knie seitlich gegen seine Brust gedrückt wurden –, und als er neben sich auf dem Sitz ein altes verschrumpeltes Pommes entdeckte, stopfte er es sich in den Mund, und statt sich umzuschauen, ob die anderen es merkten, sah er nach, ob irgendwo noch mehr davon rumlagen, was bedeutete, dass er sehr stoned und sehr hungrig war.
Libby Day
Jetzt
A ls ich wieder in die Grundschule ging, versuchten die Psychologen meiner Fiesheit ein konstruktives Ventil zu geben, also gab man mir eine Schere, und ich begann zu schneiden. Schwere, billige Stoffe, die Diane ballenweise nach Hause schleppte. Mit einer alten Metallschere durchschnitt ich das Gewebe, klipp, klapp, auf und ab:
ichhassedichichhassedichichhassedich
. Das sanfte Brummen, das der Stoff von sich gab, wenn ich ihn zerschnitt, der perfekte letzte Augenblick, wenn der Daumen allmählich weh tat und die Schultern vom krummen Sitzen schmerzten, schnipp, schnipp, schnipp … und plötzlich hielt man zwei Stoffstücke in der Hand, ein Vorhang hatte sich geteilt. Aber was nun? Genauso wie damals fühlte ich mich jetzt: als hätte ich an etwas bis zum Ende herumgesäbelt, und jetzt war ich wieder allein in meinem kleinen Haus, ohne Job, hielt zwei Stoffstücke in der Hand und wusste nicht, was ich als Nächstes tun wollte.
Ben log mich an. Ich wollte es nicht, aber es ließ sich nicht abstreiten. Warum log er wegen einer albernen Highschool-Freundin? Meine Gedanken jagten sich wie auf einem Speicher eingesperrte Vögel. Vielleicht sagte Ben die Wahrheit, und das Briefchen von Diondra war tatsächlich nicht an ihn gerichtet gewesen, sondern gehörte einfach nur zu dem ganzen Krimskrams, der sich ansammelt, wenn man das Haus voller Schulkinder hat. Himmel, Michelle konnte den Zettel aus einem Papierkorb gefischt haben, in den ein Zwölftklässler ihn geworfen hatte, ein nützliches Stück Müll für ihre kleinen Erpressungsversuche.
Vielleicht kannte Ben Diondra, vielleicht liebte er sie und versuchte, es geheim zu halten, weil sie tot war.
Vielleicht hatte er sie in der gleichen Nacht getötet, in der er auch seine Familie umgebracht hatte, und sie irgendwo draußen im weiten, flachen Kansas vergraben. Jetzt war der Ben, der mir Angst machte, in meinen Kopf zurückgekehrt: Ich stellte mir ein Lagerfeuer vor, Alkohol schwappte in einer Flasche herum, die Jahrbuch-Diondra lachte, dass ihre Locken hüpften, mit geschlossenen Augen, vielleicht sang sie auch, das Gesicht orangefarben im Feuerschein, und Ben stand hinter ihr, hob lautlos die Schaufel, den Blick fest auf Diondras Hinterkopf gerichtet …
Wo waren die anderen Kult-Kids, der Rest der Satanistentruppe? Wenn es eine Bande blasser, dunkeläugiger Teenager gab, die Ben rekrutiert hatten, wo waren sie geblieben? Inzwischen hatte ich jedes Informationsfitzelchen über den Prozess gelesen. Die Polizei hatte nie jemanden gefunden, der mit Ben den Satan angebetet hatte. All die wildhaarigen, Marihuana-rauchenden Teufelskids von Kinnakee hatten sich in den Tagen nach Bens Festnahme in pfirsichweiche Landknaben zurückverwandelt. Wie praktisch. Zwei »gewohnheitsmäßige Drogenkonsumenten« Anfang zwanzig hatten ausgesagt, Ben wäre am Tag der Morde in
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