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Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)

Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)

Titel: Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Flynn
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entdeckte er wieder sein Spiegelbild. Wie anders er aussah. Er beobachtete im Spiegel, wie er sich zu Runner umdrehte.
    »Hey, äh, hey, Dad«, sagte er, und Runner blickte genervt auf. Genau diese Genervtheit war es, die in Ben den Wunsch wachrief, Runner dazu zu bringen, dass er ihn respektierte, er hatte es so satt, ständig von ihm behandelt zu werden, als wäre er lästig. Vorhin hatte er einen winzigen Anklang von Kameradschaftlichkeit gespürt – das eine Wort,
Kumpel
 –, und dieses Gefühl wollte er wiederhaben. Für einen kurzen Moment hatte er sich selbst und seinen Dad in der Bar gesehen, wie sie zusammen ein paar Bier tranken. Das war eigentlich alles, was er sich von Runner wünschte: hin und wieder ein Bier mit ihm trinken. »Ich wollte dir was sagen. Vielleicht, ich weiß nicht, vielleicht freut es dich«, sagte er und begann unwillkürlich zu grinsen.
    Doch Runner saß einfach da, mit schläfrigen Augen und ausdruckslosem Gesicht.
    »Ich, äh, Diondra ist schwanger. Ich, äh, wir, äh … Diondra und ich kriegen ein Baby.« Jetzt grinste er richtig, zum ersten Mal, denn zum ersten Mal fühlte er sich richtig gut. Es laut auszusprechen war schön. Er wurde Vater. Ein kleiner Mensch würde sich voll und ganz auf ihn verlassen. Ihn vorbehaltlos bewundern.
    Runner legte den Kopf schief, hob wackelig sein Bierglas und sagte: »Krieg raus, ob es wirklich deines ist. Ich glaub das nämlich nicht.« Dann wandte er Ben den Rücken zu.
     
    Draußen trat Trey gegen seinen Truck und zischte: »Ich sag dir, diese alten Säcke sollten lieber bald abkratzen, weil ich nämlich die Schnauze gestrichen voll davon habe, dass sie ständig ihre Leute in Schutz nehmen – das soll angeblich eine Frage der Ehre sein, ist es aber nicht, das sind bloß alte weiße Säcke, die sich am letzten Rest Geschäft festklammern, ehe sie sich bloß noch in die Hose scheißen und Namensschildchen brauchen, um zu wissen, wer sie sind. Dieser verfluchte Whitey!« Er deutete mit dem Finger auf Ben, der Schnee fiel in dichten Flocken, überall, rieselte in Bens Hemd und schmolz auf seinem Nacken. »Und dein Alter ist ein blödes Arschloch, wenn er denkt, dass ich die Scheiße glaube, die er mir erzählt. Ich hoffe, du hängst nicht zu sehr an ihm, denn ich würd ihn gern die Toilette runterspülen wie ein Stück Scheiße.«
    »Gehn wir, Trey«, sagte Diondra, öffnete die Autotür und komplimentierte Ben auf den Rücksitz. »Nächste Woche kommt mein Dad nach Hause, da bin ich sowieso tot.«
    Ben hätte sich am liebsten geohrfeigt. Ausgerechnet dieses Geheimnis hatte er an Runner verschwendet, dieses eine Geheimnis, das er keinem verraten durfte. Er war so wütend, dass er anfing, den Rücksitz mit den Fäusten zu bearbeiten, blind vor Zorn, Schaum vor dem Mund, Fuckerfuckerfucker brüllte er, trat gegen das Polster, hieb mit den Fingerknöcheln gegen das Autodach, knallte den Kopf ans Autofenster, bis seine Stirn wieder blutete und Diondra schrie,
Baby, Baby, was ist denn los mit dir?
    »Ich schwöre bei Gott, bei diesem verfickten Gott, Diondra, Fuck!«
    Vernichtung
.
    Er konnte Diondra nicht sagen, dass er ihr Geheimnis verraten hatte.
    »Am liebsten würd ich jemand umbringen«, stieß er hervor, legte den Kopf in die Hände und spürte, dass Trey und Diondra Blicke wechselten. Schließlich sagte Trey: »Dein Dad ist ein verfluchter Trottel, Alter.« Dann legte er den Rückwärtsgang ein und lenkte den Truck mit quietschenden Reifen auf die Straße zurück, so abrupt, dass Ben erneut gegen das Fenster knallte. Diondra streckte die Hand nach hinten und streichelte Ben über die Haare, bis er sich schließlich wieder hinsetzte, mühsam, ein Häufchen Elend. Unter dem Licht der Straßenlaternen war Diondras Gesicht grün, und auf einmal konnte Ben sich vorstellen, wie sie in zwanzig Jahren aussehen würde, schlabberig und pickelig, so wie sie immer ihre Mom beschrieb, mit harter, faltiger Haut, aber mit dem elektrischen Glanz der Sonnenbank.
    »Im Handschuhfach liegt was von dem Zeug«, sagte Trey. Diondra öffnete die Klappe und begann zu wühlen. Schließlich fand sie eine übergroße, mit irgendwelchen Blättern vollgestopfte Pfeife, aus der das Gras in alle Richtungen quoll.
Sachte, sachte
, sagte Trey, und Diondra zündete die Pfeife an, zog daran und gab sie an Trey weiter. Ben streckte die Hand danach aus – inzwischen war ihm kotzübel, er zitterte vor Hunger, ihm war schwindlig von den vorbeifliegenden Lichtern, aber er

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