Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)
anschauen, wer hier neben Diondra steht?« Ben hatte ihm bisher das Gesicht nicht zugewandt, und er überlegte krampfhaft, was er außer »Hallo, Dad« zur Begrüßung sagen konnte. Da ihm nichts einfiel, blieb er einfach stehen und wartete darauf, dass die unvermeidliche Katastrophe über ihn hereinbrechen würde.
Runner spähte durchs Dämmerlicht, erkannte Ben aber nicht.
»Hallo … du da drüben«, sagte er, und dann fragte er Trey: »Ist das dein Cousin? Ich seh nicht so gut, vor allem nachts, ich brauche Kontaktlinsen, aber …«
»O mein Gott«, sagte Trey und tat so, als würde er sich zurücklehnen und lachen, aber man sah ihm an, wie angepisst er war. »Schau noch mal genau hin, du Arschloch.« Ben war nicht sicher, ob er sich in Pose werfen sollte, blieb dann aber stehen, starrte in den alten Bierreklame-Spiegel ihm gegenüber und betrachtete seine schwarze Mähne, während Runner sich an ihn heranpirschte und die Hand nach ihm ausstreckte, wie in einem Märchen, in dem Runner ein Troll und Ben ein wunderbarer Schatz war. Immer näher kam er, stolperte über Bens Fuß, und als sich schließlich ihre Blicke trafen, jaulte Runner erst mal nur: »Ohhhh!« und setzte dann noch nervöser hinzu: »Die Haare sind nicht rot!«
»Aber du erinnerst dich noch an deinen Sohn, ja? Das ist doch dein Sohn, oder nicht, Runner?«
»Ja, klar ist das mein Sohn. Hallo, Ben. Ist doch verständlich, dass ich dich nicht erkannt hab, ohne die roten Haare. Und ich wusste ja nicht, dass du Trey kennst.«
Ben zuckte die Achseln und sah zu, wie sich Runners Bild im Spiegel wieder von seinem entfernte. Er fragte sich, wie viel Geld Runner Trey wohl schuldete und warum er sich wie eine Geisel fühlte – nicht dass es Runner im Geringsten kümmern würde, wenn jemand Lösegeld für seinen Sohn forderte. Außerdem fragte Ben sich langsam auch, wie zufällig dieser Barbesuch eigentlich war. Vorhin hatte der Einfall spontan gewirkt, aber inzwischen vermutete Ben, dass Trey und Diondra schon die ganze Zeit geplant hatten, heute Abend hierherzukommen.
»Ich kapier das nicht, Runner«, fuhr Trey fort, gerade so laut, dass man ihn trotz der penetranten Country-Musik verstehen konnte. »Du behauptest, du hast kein Geld, Ben hier behauptet, du hast kein Geld, und trotzdem hattest du vor ein paar Wochen diesen Riesenhaufen Gras.«
»War aber nicht gut, das Zeug.« Er wandte sich Trey zu, so dass Ben aus dem Gespräch ausgeschlossen war, warf seinem Sohn aber die ganze Zeit verstohlene Blicke über die Schulter zu, während er Trey weiter in die Mitte des Raums zu manövrieren versuchte, indem er ihm immer dichter auf den Leib rückte. Trey rührte sich nicht von der Stelle, knurrte aber schließlich: »Geh mir von der Pelle, Mann«, worauf Runner sich etwas zurücknahm.
»Da hast du vollkommen recht, Mann, das Zeug war echt nicht gut«, setzte Trey die Unterhaltung fort. »Aber du hast dafür trotzdem einen Preis verlangt, als wäre es Spitzenklasse.«
»Von dir hab ich gar nichts verlangt.«
»Du hast nichts von mir verlangt, weil du bei mir in der Kreide stehst, du alter Vollidiot. Aber ich weiß, dass du ansonsten zwanzig Dollar für ein Dimebag genommen hast. Also, wo ist das verdammte Geld geblieben, hast du es vielleicht deiner Frau gegeben, damit sie es für dich aufbewahrt?«
»Ex! Sie ist meine Exfrau!«, brüllte Runner und fuhr fort: »Ich hab versucht, Geld von ihr zu
kriegen
, nicht ihr welches zu geben. Ich weiß, dass sie Geld hat, schon als wir verheiratet waren, hat sie immer Geld versteckt, rollenweise, Hunderte, von den Ernteerträgen, und die hat sie dann an seltsamen Orten aufbewahrt. Einmal hab ich zweihundert Dollar im Fuß ihrer Strumpfhose entdeckt. Vielleicht sollte ich noch mal zu ihr zurückfahren.« Er sah zu Ben hinüber, der die Ohren spitzte, aber so tat, als beschäftigte er sich mit Diondra, und eifrig ihre Locken zwirbelte. Diondra ließ es sich gefallen, reagierte aber bestenfalls halbherzig.
»Kann ich mal mit dir unter vier Augen sprechen, vielleicht da drüben?«, schlug Runner vor und deutete in eine Ecke, wo drei große, breitschultrige Männer Pool spielten. Der größte von ihnen, ein blasser, weißhaariger alter Kerl mit einem Tattoo von den Marines, stützte sich auf seinen Queue und sah mit geblähter Brust zu ihnen herüber.
»Na gut«, sagte Trey.
»Auf mich müsst ihr keine Rücksicht nehmen«, mischte Ben sich ein und bemühte sich, so zu klingen, als wäre es ihm egal.
»Dein
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