Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)
die Saite war zum Klingen gebracht worden, das konnte keiner mehr rückgängig machen, er würde ans Töten denken, wie unter Zwang, aber er bezweifelte stark, dass Trey und Diondra ihn jemals wieder mitnehmen würden, und er war einfach zu erbärmlich, zu ängstlich, um es allein zu tun.
Langsam wandte er ihnen den Rücken zu, hob die Flinte an die Schulter, drehte sich blitzschnell wieder um und spannte den Hahn, den Finger am Abzug. Peng! Er stellte sich vor, wie die Luft erzittern würde, spürte den Rückstoß des Gewehrs, als würde ein Freund ihm auf die Schulter klopfen und sagen: gut gemacht! Er kippte den Lauf herunter, schob eine neue Patrone ins Magazin, ging noch ein Stück weiter aufs Feld hinaus, riss die Flinte erneut hoch – und peng!
Er stellte sich vor, dass ihm die Ohren klingen würden, und die Luft würde nach Rauch riechen, Trey und Diondra würden ausnahmsweise mal den Mund halten, und er würde auf einem Leichenfeld stehen.
Libby Day
Jetzt
I n der Zeit, die ich in Oklahoma und nicht erreichbar gewesen war, hatte Lyle neun Nachrichten auf meinem Anrufbeantworter hinterlassen, in sehr unterschiedlichem Ton: Am Anfang hörte er sich an wie die Imitation eines besorgten Witwers, erkundigte sich mit näselnder Stimme nach meinem Wohlergehen, was wohl eine komödiantische Einlage sein sollte, dann wurde er ärgerlich, streng, dringlich und panisch, ehe er bei der letzten Nachricht wieder auf albern umschaltete. »Wenn du mich nicht zurückrufst, dann komme ich … und die Hölle wird mich begleiten!«, brüllte er und fügte hinzu: »Ich weiß nicht, ob du
Tombstone
gesehen hast.«
Das hatte ich, fand Kurt Russell in dem Film aber ziemlich schlecht.
Ich rief ihn gleich zurück, gab ihm meine Adresse und sagte ihm, er könnte vorbeikommen, wenn er wollte. Im Hintergrund hörte ich eine Frauenstimme, die wissen wollte, mit wem er sprach, und Lyle dann drängte, mich etwas zu fragen –
frag sie einfach, stell dich nicht so an, fragsiedocheinfach
–, worauf Lyle das Gespräch ziemlich schnell beendete. Vielleicht war es Magda, die von mir einen Bericht über Runner wollte? Den sollte sie kriegen, ich war sogar ganz erpicht darauf, davon zu erzählen. Die Alternative wäre nämlich gewesen, mich ins Bett zu verkriechen und noch mal zehn Jahre drinzubleiben.
In der Zwischenzeit würde ich meine Haare färben. Auf dem Heimweg von dem Besuch bei Ben hatte ich mir eine Packung Haarfärbemittel gekauft. Eigentlich hatte ich vorgehabt, mein übliches Blond zu nehmen – »Platin Flair« –, aber am Ende verließ ich den Laden mit »Feuerroter Frechdachs«, von dessen Schachtel mich eine rothaarige Frau neckisch angrinste. Für die Zukunft bedeutete das weniger Aufwand, und das war genau mein Ding. Schon seit Ben bemerkt hatte, wie sehr ich meiner Mutter ähnelte, hatte ich mit dem Gedanken gespielt, wieder zu meiner Ursprungshaarfarbe zurückzukehren. Irgendwie hatte ich die Vorstellung im Kopf, ich könnte wie eine wiederauferstandene Patty Day vor Dianes Trailer erscheinen – vielleicht reichte das ja, damit sie mich reinließ. Denn die gottverdammte Diane rief mich einfach nicht zurück.
Ich packte mir einen purpurroten Klacks Chemie auf den Kopf, und es roch, als würde langsam etwas verbrutzeln. Noch vierzehn Minuten lagen vor mir, als es klingelte. Lyle. Er stürzte herein und erzählte gleich, wie erleichtert er gewesen sei, von mir zu hören. Dann wich er ein Stück zurück.
»Was ist das denn, eine Dauerwelle?«
»Nein, ich will nur wieder rote Haare.«
»Oh. Gut. Ich meine, das ist schön. Deine Naturfarbe.«
In den dreizehn Minuten, die noch übrig waren, erzählte ich Lyle von Runner und von Diondra.
»Okay«, sagte Lyle, drehte den Kopf nach links und hielt mir in seiner üblichen Lausch-Denk-Haltung sein Ohr hin. »Ben sagt also, er sei in der Nacht damals kurz nach Hause gegangen, habe sich in einen Streit mit deiner Mutter verwickelt und sei dann noch mal weggegangen. Danach wisse er nichts mehr.«
»Das sagt Ben, ja«, nickte ich.
»Und was sagt Runner? Entweder hat Trey deine Familie umgebracht, weil Runner bei ihm Schulden hatte, oder Ben und Trey haben den Mord gemeinsam begangen, irgendein satanisches Ritual, bei dem gleich auch noch Diondra dran glauben musste. Wie hat Runner darauf reagiert, dass seine Freundin sein Alibi widerrufen hat?«
»Er meinte, sie könne ihn am Arsch lecken. Ich muss mir jetzt die Haare ausspülen.«
Er folgte mir ins Bad, stellte
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