Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)
viel zu kompliziert, ihn zu finden, sagte mir Lyle seine Adresse. »War ganz leicht, er hat nämlich seine eigene Firma, Teepano Feed«, erklärte er stolz. Eigentlich wollte ich »gut gemacht« sagen – das wäre doch ganz leicht gewesen, oder nicht? –, aber ich brachte es nicht über die Lippen. Lyle sagte, Magdas Frauengruppe wäre bereit, mir fünfhundert Dollar zu bezahlen, wenn ich mit Trey redete. Ich hätte es sogar umsonst gemacht, aber natürlich nahm ich das Geld trotzdem.
Im Grunde wusste ich, dass ich mit meinen Nachforschungen weitermachen würde, dass ich gar nicht aufhören konnte, bis ich irgendeine Antwort gefunden hatte. Inzwischen war ich mir ganz sicher, dass Ben etwas wusste. Aber er rückte nicht damit raus. Also blieb mir gar nichts anderes übrig, als andere Leute auszuquetschen. Ich erinnerte mich, dass ich einmal im Fernsehen eine Sendung mit einem sehr vernünftigen Menschen gesehen hatte, einem Fachmann in Sachen Liebe. Sein Rat lautete: »Lassen Sie sich nicht entmutigen – jede Beziehung, die Sie eingehen, wird ein Misserfolg, bis Sie den Richtigen finden.« So fühlte ich mich auch in Bezug auf mein erbärmliches Unternehmen: Jeder, mit dem ich redete, würde mich enttäuschen, bis ich die Person fand, die mir dabei helfen konnte, die Ereignisse jener Nacht zu entschlüsseln.
Lyle wollte mitkommen zu Trey Teepano, teils, weil er neugierig auf ihn war, teils, weil ihn dieser Kerl irgendwie nervös zu machen schien (»ich trau diesen Satanisten einfach nicht«). Teepano Feed befand sich ein kleines Stück östlich von Manhattan, Kansas, auf einem Stück Farmland, das eingequetscht zwischen mehreren neu aus dem Boden gestampften Vorstädten lag. Die Wohnviertel waren nichtssagend, sauber und sahen eigentlich genauso künstlich wie die Western-Souvenirläden in Lidgerwood aus – die Leute taten eigentlich nur so, als würden sie hier wohnen. Linker Hand wichen die Kartonhäuser schließlich einer smaragdfarbenen Graslagune. Einem Golfplatz. Klein und neu. Im kalten Morgenregen standen nur ein paar Männer auf dem Fairway, schwangen verdreht und gebeugt ihre Schläger und ähnelten vor dem grünen Rasen gelben und rosaroten Flaggen. Genauso schnell, wie die künstlichen Häuser und das künstliche Gras und die Männer mit ihren pastellfarbenen Hemden erschienen waren, verschwanden sie auch wieder, und ich blickte auf eine Wiese mit hübschen braunen Jersey-Kühen, die mir erwartungsvoll entgegenstarrten. Ich starrte zurück – Kühe gehören zu den seltenen Tieren, die einen Blick tatsächlich erwidern. So intensiv starrte ich, dass ich das große alte Backsteingebäude mit der Aufschrift
Teepano Feed and Farm Supply
nicht wahrnahm. Erst als Lyle mir auf die Schulter tippte, LibbyLibbyLibby, trat ich auf die Bremse. Auf der nassen Straße schlidderte mein Auto erst mal gut fünfzehn Meter, was mir ein ähnliches Schwindelgefühl verursachte wie damals, als Runner mich herumgewirbelt und dann plötzlich losgelassen hatte. Hastig setzte ich zurück und bog auf den kiesbestreuten Parkplatz ein.
Vor dem Laden stand nur noch ein weiteres Auto, alles sah ziemlich heruntergekommen aus. Die Zementrillen zwischen den Backsteinen waren völlig verdreckt, und auf dem Kinderkarussell neben der Eingangstür – ein Vierteldollar die Fahrt – fehlten die Sitze. Als ich die breite Holztreppe an der Vorderseite hinaufstieg, sah ich das blinkende Reklameschild im Schaufenster: »Wir führen Lamas!« Seltsam, das in Neonbuchstaben zu sehen. Von einem Pfosten hing ein Blechschild für das Insektenvertilgungsmittel Sevin 5 % Dust. »Was sind Pharaoh-Wachteln?«, fragte Lyle, als wir oben ankamen. Das Glöckchen über der Tür bimmelte, und wir traten in einen Raum, in dem es kälter war als draußen – die Klimaanlage lief ebenso auf Hochtouren wie die Musikanlage, aus der kakophonischer Jazz plärrte – ein passender Soundtrack für einen epileptischen Anfall.
Hinter einem langen Tresen waren Gewehre in einen großen Glasschrank eingeschlossen, und die Scheiben schimmerten wie die Oberfläche eines Teichs. Endlose Reihen mit Kunstdünger und Saatgut, Hacken, Muttererde und Sätteln erstreckten sich bis in den hinteren Teil des Ladens. An der anderen Wand stand ein Drahtkäfig mit starräugigen Kaninchen. Meiner Meinung nach die dümmsten Haustiere der Welt. Wer will denn ein Tier, das nur rumsitzt, zittert und überall hinscheißt? Angeblich kann man sie dazu erziehen, dass sie ein
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