Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)
Namen, den man sich merkt«, erwiderte er achselzuckend. »Sehen Sie, damals waren die Leute in Kinnakee total rassistisch drauf. Die mochten keine Indianer, und man hat mir ’ne Menge Scheiße in die Schuhe geschoben, für die ich in Wirklichkeit nichts konnte. Das war vor
Der mit dem Wolf tanzt
, verstehen Sie? Es ging in ADW immer nach dem Motto RIS .«
»Wie bitte?«
» RIS – die Rothaut ist schuld. Ich geb ja auch zu, dass ich ein Scheißkerl war. Ich war kein netter Mensch. Aber nach dieser Nacht, nach dem, was Ihrer Familie passiert ist, war ich ziemlich durch den Wind, und danach bin ich clean geworden. Na ja, vielleicht nicht direkt danach, aber ungefähr ein Jahr später. Ich hab keine Drogen mehr genommen und nicht mehr an den Teufel geglaubt. Letzteres war schwieriger.«
»Sie haben echt an den Teufel geglaubt?«, fragte Lyle.
Trey zuckte die Achseln. »Klar. An irgendetwas muss man doch glauben, oder nicht? Jeder hat so sein Ding.«
Ich nicht, dachte ich.
»Wenn man daran glaubt, dass man die Macht des Satans in sich trägt, dann trägt man irgendwie auch die Macht des Satans in sich«, erklärte Trey. »Aber das ist lange her.«
»Was ist mit Diondra Wertzner?«, fragte ich.
Er stutzte, drehte sich weg, ging zu den Kaninchen hinüber und begann, sie durch den Maschendraht mit dem Zeigefinger zu streicheln.
»Worauf wollen Sie hinaus, Deb-, äh, Libby?«
»Ich versuche, Diondra Wertzner zu finden. Ich hab gehört, dass sie zu der Zeit von Ben schwanger gewesen und danach verschwunden sei. Einige Leute sagen, dass man sie das letzte Mal mit Ihnen und Ben gesehen habe.«
»Ach Scheiße, Diondra. Ich wusste immer, dass dieses Mädchen mich irgendwann in den Arsch beißen würde.« Diesmal grinste er breit. »Mann, Diondra. Ich hab keine Ahnung, wo Diondra ist, sie ist immer abgehauen, hat immer irgendwelche Dramen abgezogen. Sie ist von zu Hause weggelaufen, ihre Eltern haben ein Riesentheater gemacht, sie ist wieder heimgekommen, dann haben alle eine Weile Vater-Mutter-Kind gespielt, aber schließlich zeigte sich doch wieder, dass sie Arschlöcher waren – sie haben Diondra total vernachlässigt –, und da brauchte Diondra wieder ein Drama, hat irgendeinen Scheiß veranstaltet, ist noch mal weggelaufen oder was weiß ich. Die Soap, wie sie im Buche steht. Vermutlich ist sie irgendwann endgültig abgehauen, ist zu dem Schluss gekommen, dass sich das Heimkommen nicht lohnt. Ich meine – haben Sie’s denn schon mal im Telefonbuch versucht?«
»Sie ist als vermisst gelistet«, entgegnete Lyle und sah mich wieder an, ob mich die Unterbrechung störte. Was nicht der Fall war.
»Ach, der geht’s bestimmt gut«, sagte Trey. »Ich vermute, sie lebt irgendwo unter einem ihrer verrückten Namen.«
»Verrückte Namen?«, hakte ich nach und legte schnell die Hand auf Lyles Arm, damit er still bliebe.
»Ach, sie war eins von den Mädchen, die immer anders sein wollten. Einmal hat sie mit britischem Akzent geredet, dann plötzlich war es Südstaatenslang. Sie hat nie jemandem ihren richtigen Namen gesagt. Sie ist zur Kosmetikerin gegangen und hat einen falschen Namen angegeben. Oder wenn sie Pizza bestellt hat. Sie hat andere Leute gern verarscht, wissen Sie, einfach so zum Spaß. ›Ich bin Desiree aus Dallas, ich bin Alexis aus London.‹ Am liebsten hat sie Leuten ihren, äh, ihren Pornonamen gesagt.«
»Hat sie auch Pornographie gemacht?«
»Nein, nein. Da gibt’s doch dieses Spiel. Wie hieß das Haustier, das Sie als Kind hatten?«
Ich starrte ihn verständnislos an.
»Wie hieß das Haustier, das Sie als Kind hatten?«, beharrte er.
Ich sagte ihm den Namen von Dianes totem Hund: »Gracie.«
»Und wie hieß die Straße, in der Sie aufgewachsen sind?«
»Rural Route 2 .«
Er lachte. »Tja, das funktioniert leider nicht. Es soll nuttig klingen, Bambi Evergreen oder so was in der Art. Diondra hieß … Polly Irgendwas … Palm. Polly Palm, ist das nicht toll?«
»Glauben Sie, dass Diondra tot ist?«
Er zuckte die Achseln.
»Glauben Sie, dass Ben wirklich der Mörder war?«, fragte ich.
»Dazu hab ich keine Meinung. Aber wahrscheinlich schon.«
Auf einmal wurde Lyle nervös, hüpfte auf und ab, stupste mich mit seinem spitzen Finger in den Rücken und versuchte, mich zur Tür zu steuern.
»Dann vielen Dank, dass Sie sich Zeit für uns genommen haben«, blökte er. Ich sah ihn stirnrunzelnd an, und er erwiderte meinen Blick ebenfalls stirnrunzelnd. Über uns fing eine
Weitere Kostenlose Bücher