Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)
gegrübelt und in ihr neues Tagebuch gekritzelt hatte. Aber wie …?
»Kanntest du Michelle?«, fragte ich Diondra, während mein Hirn noch dabei war, die Information zu verarbeiten.
»Kaum«, antwortete Diondra. »Eigentlich überhaupt nicht«, fügte sie hinzu, und irgendwie erinnerte sie mich an Ben, der vorgab, Diondra nicht zu kennen.
»Jetzt bin ich mal dran mit Pinkeln«, verkündete Crystal und nahm einen letzten Schluck Wein.
»Also …«, setzte ich an. Weiter kam ich nicht. Crystal konnte unmöglich wissen, dass Michelle in Todd Delhunt verknallt gewesen war, es sei denn … Es sei denn, sie hatte Michelles Tagebuch gelesen. Das Tagebuch, das sie am Weihnachtsmorgen für das neue Jahr 1985 bekommen hatte. Ich war bis jetzt davon ausgegangen, dass die Tagebücher vollständig waren, weil von 1984 nichts gefehlt hatte, aber an 1985 hatte ich überhaupt nicht gedacht. Michelles neues Tagebuch, gerade mal neun Tage alt – und Crystal hatte gerade daraus zitiert. Sie hatte es gelesen, das Tagebuch meiner toten …
Aus dem Augenwinkel heraus erhaschte ich das Blitzen von Metall, als Crystal mir ein altes Bügeleisen gegen die Schläfe rammte, den Mund zu einem erstarrten Schrei aufgerissen.
Patty Day
3 . Januar 1985
2 Uhr 03
P atty war tatsächlich eingeschlafen, absolut lächerlich, und zwei Minuten nach zwei wieder aufgewacht, hatte Libby vorsichtig weggeschoben, war aus dem Bett gekrochen und den Korridor hinuntergetrottet. Jemand rumorte im Mädchenzimmer herum, ein Bett quietschte. Michelle und Debby schliefen für gewöhnlich wie Murmeltiere, aber sie machten gelegentlich ziemlich viel Lärm – warfen die Decken von sich, redeten im Schlaf. Patty ging an Bens Zimmer vorbei, wo noch das Licht brannte, das sie angemacht hatte, als sie bei ihm eingedrungen war. Sie wäre gern stehen geblieben, aber Calvin Diehl war niemand, den man warten ließ.
Baby Ben.
Es war besser, wenn sie sich nicht die Zeit nahm. Also ging sie zur Haustür, und statt sich wegen der Kälte Sorgen zu machen, dachte sie ans Meer, an ihre einzige Reise, nach Texas, vor langer Zeit, als sie noch ein Mädchen gewesen war. Sie stellte sich vor, sie würde eingeölt am Strand liegen, das Rauschen der Wellen im Ohr, Salz auf den Lippen. Sonne.
Sie öffnete die Tür, und das Messer glitt in ihre Brust. Zusammengekrümmt sank sie in die Arme des Mannes, der flüsterte,
Keine Sorge, in ungefähr dreißig Sekunden ist es vorbei, machen wir es noch mal, um ganz sicherzugehen.
Er kippte sie in die andere Richtung, sie war eine Tänzerin, gehalten von den starken Armen ihres Partners, und dann spürte sie, wie das Messer sich in ihrer Brust drehte – es hatte ihr Herz nicht getroffen, es hätte ihr Herz treffen sollen, der Stahl bewegte sich in ihr. Mit freundlichem Gesicht blickte der Mann auf sie herab, wollte noch einmal zustechen, aber dann schaute er über ihre Schulter, und plötzlich wurde sein freundliches Gesicht fleckig, sein Schnurrbart zitterte …
»Was zum Teufel …?«
Als Patty ihr Gesicht drehte, nur ein bisschen, entdeckte sie Debby in ihrem lavendelfarbenen Nachthemd, die Zöpfe waren vom Schlaf zerzaust, ein weißes Band baumelte auf ihren Arm herunter, und sie schrie,
Mom, die tun Michelle weh!
In ihrem Eifer, den Notruf loszuwerden, bemerkte sie gar nicht, dass auch ihre Mom verletzt war,
Komm, Mom, komm schnell
, und Patty konnte nur denken: schlechter Zeitpunkt für einen Albtraum. Und dann: mach die Tür zu. Das Blut floss ihr über die Beine, und sie versuchte, die Tür zuzumachen, damit Debby sie nicht sehen konnte, aber der Mann drückte die Tür auf und brüllte
Verdammtverdammtverdammmmmmmmmt!
Es war wie ein Donner in Pattys Ohr, sie spürte, dass er das Messer aus ihrer Brust ziehen wollte, und ihr wurde klar, was das bedeutete, nämlich, dass er sich auf Debby stürzen wollte, dieser Mann, der gesagt hatte, niemand dürfte etwas davon erfahren, niemand dürfte ihn sehen, dieser Mann wollte jetzt, dass Debby mit Patty starb. Patty presste die Hand hart auf den Griff des Messers und stieß die Klinge weiter hinein, aber der Mann brüllte weiter, ließ das Messer endlich los und trat mit dem Fuß die Tür auf, und als Patty stürzte, sah sie, dass er zu der Axt ging, zu der Axt, die Michelle so ordentlich neben der Tür abgelegt hatte. In diesem Moment rannte Debby auf ihre Mutter zu, wollte ihrer Mom zu Hilfe kommen, aber Patty schrie:
Lauf weg!
, und Debby erstarrte, schrie auf, erbrach sich
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