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Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)

Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)

Titel: Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Flynn
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geohrfeigt.
    »Ich wollte mich nicht darüber lustig machen. Tut mir leid«, sagte ich.
    »O nein, nein, keine Sorge«, wehrte Diondra ab. Wir starrten uns an, Finger, Hände und Füße in Unruhe. Schließlich brach Diondra das Schweigen: »Möchtest du nicht zum Abendessen bleiben, Libby?«
     
    Sie setzte mir einen versalzenen Schmorbraten vor, den ich runterwürgte, und eine Menge rosa Wein aus einem Karton, der keinen Boden zu haben schien. Wir nippten nicht, wir tranken. Zwei Frauen nach meinem Geschmack. Dabei unterhielten wir uns über Albernheiten, Geschichten von meinem Bruder, und Crystal steuerte Fragen bei, die ich peinlicherweise nicht beantworten konnte: Mochte Ben eher Rockmusik oder Klassik? Las er viel? Hatte er vielleicht Diabetes? Sie hatte nämlich manchmal Probleme mit Unterzuckerung. Und was war mit Großmutter Patty? Wie war sie gewesen?
    »Ich möchte sie so gern kennenlernen, wie … na ja, wie Leute eben, nicht wie Mordopfer«, sagte sie mit der Scheinheiligkeit einer Anfang Zwanzigjährigen.
    Nach einer Weile entschuldigte ich mich und ging zur Toilette, weil ich dringend einen Moment allein sein musste, weg von den Erinnerungen, weg von diesem Mädchen, weg von Diondra. Die Erkenntnis, dass es nun keine Menschen mehr gab, denen ich Fragen stellen konnte, dass ich am Ende des Weges angekommen war und jetzt wieder über Runner nachdenken musste. Das Badezimmer war genauso hässlich wie der Rest des Hauses, überall Schimmel, die Wasserspülung lief ununterbrochen, um den Mülleimer herum lagen mit Lippenstift verschmierte Toilettenpapierknäuel auf dem Boden. Zum ersten Mal war ich allein in diesem Haus und konnte der Versuchung nicht widerstehen, mich nach einem Souvenir umzuschauen. Hinten auf dem Spülkasten stand eine rotglasierte Vase, aber ich hatte meine Handtasche nicht dabei. Also brauchte ich etwas Kleines. Als ich das Arzneischränkchen öffnete, fand ich dort ein paar verschreibungspflichtige Medikamente mit »Polly Palm« auf dem Etikett. Schlaftabletten, Schmerztabletten, Allergiezeug. Ich nahm ein paar Vicodin und steckte dann einen hellrosa Lippenstift und ein Thermometer ein. So ein Glück, weil ich nämlich immer vergaß, mir ein Thermometer zu kaufen, obwohl ich mir schon immer eins gewünscht hatte. Wenn ich mich im Bett verkrieche, ist es gut zu wissen, ob ich krank bin oder einfach nur faul.
    Als ich zum Esstisch zurückkam, hatte Crystal einen Fuß auf den Stuhl hochgezogen und stützte das Kinn aufs Knie. »Ich hab immer noch Fragen«, verkündete sie, und ihre Flötenstimme trällerte die Tonleiter auf und ab.
    »Wahrscheinlich habe ich aber keine Antworten«, wiegelte ich hastig ab. »Ich war noch so klein, als es passiert ist. Ich meine, ich hatte so viel von meiner Familie vergessen, bis ich angefangen habe, mit Ben zu reden.«
    »Hast du keine Fotoalben?«, fragte Crystal.
    »Doch. Eine Weile hatte ich sie weggepackt, in Pappkartons verstaut.«
    »Es tat dir zu weh«, sagte Crystal mit gedämpfter Stimme.
    »Erst vor kurzem hab ich angefangen, mir den Inhalt der Kisten wieder anzusehen – Fotoalben und Jahrbücher und eine Menge anderes altes Zeug.«
    »Was denn zum Beispiel?«, fragte Diondra, während sie ein paar Erbsen mit der Gabel zerquetschte wie ein gelangweilter Teenager.
    »Na ja, etwa die Hälfte davon war Michelles Kram«, antwortete ich, begierig, wenigstens ein paar Fragen eindeutig zu beantworten.
    »Spielsachen?«, fragte Crystal und fingerte an ihrem Rocksaum herum.
    »Nein, Briefchen und so was. Tagebücher. Michelle hat immer alles aufgeschrieben. Wenn sie beobachtet hat, wie eine Lehrerin irgendwas Sonderbares machte, gab das sofort eine Tagebuchnotiz, wenn sie fand, dass unsere Mom jemanden bevorzugte, musste das Tagebuch es sofort erfahren, wenn sie sich mit ihrer besten Freundin wegen eines Jungen gezankt hatte, den sie beide mochten, wurde das ausführlich …«
    »… odd Delhunt«, murmelte Crystal und nickte. Dann trank sie noch einen Schluck Wein.
    »… im Tagebuch vermerkt«, vollendete ich meinen Satz, nur mit halbem Ohr bei Crystals Bemerkung. Aber dann hörte ich es plötzlich. Hatte sie gerade Todd Delhunt gesagt? Allein hätte ich mich nie an den Namen erinnert, aber der Junge, wegen dem Michelle den großen Streit gehabt hatte, hatte tatsächlich Todd Delhunt geheißen. Der kleine Todd Delhunt. Es war an Weihnachten gewesen, direkt vor den Morden, ich erinnerte mich genau, dass Michelle den ganzen Weihnachtsmorgen über

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