Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)
bestätigte Diondra.
Also wusste das Mädchen Bescheid darüber, wer sie war, wer die Days waren, dass Ben Day ihr Vater war. Dass Diondra ihrer Tochter so viel Vertrauen entgegenbrachte, dass diese das Geheimnis nicht verraten und mich auch nicht suchen würde, erstaunte mich. Ich überlegte, wie lange Crystal wohl schon Bescheid wusste. Ob sie vielleicht schon mal an meinem Haus vorbeigefahren war, nur so, um einen Blick darauf zu werfen? Was Diondra wohl dazu bewogen hatte, ihrer Tochter diese schreckliche Wahrheit zuzumuten, wo das doch eigentlich gar nicht notwendig gewesen wäre?
Anscheinend hatte Diondra meine Gedanken erraten. »Das ist schon in Ordnung«, sagte sie. »Crystal kennt die ganze Geschichte. Ich erzähle ihr alles. Wir sind beste Freundinnen.«
Ihre Tochter nickte. »Ich hab sogar ein kleines Album mit Fotos von euch allen. Na ja, Bilder, die ich aus Zeitschriften ausgeschnitten habe und so. So eine Art nachgemachtes Familienalbum. Ich wollte dich schon immer gern kennenlernen. Soll ich dich Tante Libby nennen? Klingt aber echt merkwürdig, oder?«
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Aber ich war irgendwie erleichtert, dass die Days nun doch noch nicht ganz vom Aussterben bedroht waren, sondern mit diesem hübschen, großen Mädchen, das aussah wie ich, aber mit allen Fingern und Zehen und ohne mein Albtraumhirn normal gediehen. Eine Unzahl neugieriger Fragen lag mir auf der Zunge. Hatte Crystal schlechte Augen wie Michelle? War sie allergisch gegen Erdbeeren wie Mom? Hatte sie süßes Blut wie Debby, und wurde sie auch bei lebendigem Leib von Stechmücken gefressen und musste den Sommer in einer Duftwolke von Mückenspray verbringen? War sie jähzornig wie ich oder distanziert wie Ben? War sie manipulativ und immer schuldlos wie Runner? Wie war sie? Ich wünschte mir, sie würde es mir erzählen, würde mir von all den vielen Dingen berichten, die sie mit den Days verbanden, und mich daran erinnern, wie wir gewesen waren.
»Ich hab auch dein Buch gelesen«, fuhr Crystal fort. »
Ein neuer Tag
. War echt gut. Am liebsten hätte ich jemandem erzählt, dass ich dich kenne, weil ich so stolz war, weißt du.« Ihre Stimme klang trällernd wie eine Flöte, so, als wäre sie permanent kurz davor, in Lachen auszubrechen.
»Oh, danke.«
»Alles klar mit dir, Libby?«, fragte Diondra.
»Hmm, ich denke schon, aber ich verstehe immer noch nicht ganz, warum ihr euch so lange versteckt habt. Warum schwört Ben immer noch, dass er dich nicht kennt? Ich meine, ich gehe mal davon aus, dass er seine Tochter noch nie gesehen hat.«
Crystal schüttelte den Kopf. »Aber ich würde ihn schrecklich gern mal treffen. Er ist mein Held. Er hat meine Mom all die Jahre beschützt, und mich auch.«
»Du musst unser Geheimnis unbedingt für dich behalten, Libby«, sagte Diondra. »Wir hoffen wirklich, dass du mit niemandem darüber sprichst. Ich kann einfach nicht riskieren, dass man denkt, ich wär eine Komplizin gewesen oder so. Das kann ich nicht riskieren. Crystal zuliebe.«
»Ich glaube nicht, dass das notwendig ist …«
»Bitte«, unterbrach mich Crystal. Ihr Ton war schlicht, aber dringlich. »Bitte. Ich kann die Vorstellung nicht aushalten, dass jederzeit jemand kommen und mir Mom wegnehmen kann. Sie ist wirklich meine beste Freundin.«
Das hörte ich jetzt schon zum zweiten Mal. Um ein Haar hätte ich die Augen verdreht, aber dann sah ich, dass das Mädchen den Tränen nahe war. Sie hatte tatsächlich Angst vor dem Gespenst, das Diondra erschaffen hatte: die rachsüchtigen Buhmänner von der Polizei, die hereingestürzt kamen und ihr ihre Mommy wegnahmen. Natürlich war Diondra ihre beste Freundin. In all den Jahren hatten sie in einer Zwei-Personen-Symbiose gelebt. Heimlich. Du musst ein Geheimnis bleiben, für Mommy.
»Dann bist du also weggelaufen und hast es deiner Familie nie gesagt?«
»Ich bin gegangen, als ich die Schwangerschaft nicht mehr verstecken konnte«, antwortete Diondra. »Meine Eltern waren verrückt, ich war froh, sie los zu sein. Das Baby war unser Geheimnis, Bens und meines.«
Ein Geheimnis im Day-Haus, wie ungewöhnlich. Am Ende hatte Michelle nun leider eine Exklusivgeschichte verpasst.
»Du lächelst«, sagte Crystal, ebenfalls mit einem Lächeln auf den Lippen.
»Ach, ich dachte nur gerade daran, wie sich meine Schwester Michelle darüber gefreut hätte, dieses Geheimnis aufzudecken. Sie hat Dramen aller Art geliebt.«
Die beiden sahen mich an, als hätte ich sie
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