Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)
herunterstieg, rollte der Kopf des Mädchens zur Seite, und die offenen Augen stierten Ben blicklos an. Neben ihr lag ihre zerbrochene Brille.
Diondra ging zu Ben hinüber, ihre Knie waren direkt vor seinem Gesicht. Sie streckte ihm die Hand hin. »Komm schon, steh auf.«
Sie öffneten die Tür, und Diondras Augen wurden groß, als bestaunte sie den ersten Schnee. Überall war Blut. Debby und Bens Mom in einer großen Lache, Axt und Flinte auf dem Korridor, ein Stück weiter hinten ein Messer. Diondra ging zu den beiden Toten, und Ben sah ihr Spiegelbild in dem dunklen roten Tümpel, aus dem das Blut immer noch auf ihn zufloss.
»Verdammte Scheiße«, flüsterte Diondra. »Vielleicht haben wir uns tatsächlich mit dem Teufel angelegt.«
Ben rannte in die Küche, um sich an der Spüle zu übergeben, das Würgen war irgendwie tröstlich,
lass alles raus, lass alles raus
, das hatte seine Mom immer gesagt, als er noch klein war, und seine Stirn gehalten, während er sich über die Toilette beugte.
Lass das ganze schlechte Zeug raus
. Aber es kam nichts, und schließlich taumelte er zum Telefon. Auf einmal war Diondra da und hielt ihn zurück.
»Willst du mich verpetzen? Wegen Michelle?«
»Wir müssen die Polizei rufen«, sagte er, den Blick auf die verschmierte Kaffeetasse seiner Mom gerichtet, auf deren Boden noch Kaffeesatz klebte.
»Wo ist eigentlich die Kleine?«, fragte Diondra. »Wo ist das Baby?«
»Ach du Scheiße! Libby!« Ben rannte zurück auf den Korridor, versuchte, die Leichen nicht zu sehen, versuchte so zu tun, als wären es einfach nur Hindernisse, über die er steigen musste. Als er ins Zimmer seiner Mom trat, schlug ihm ein kalter Luftzug entgegen, er sah sofort die flatternden Vorhänge und das offene Fenster. Eilig ging er zurück in die Küche.
»Sie ist weg«, sagte er. »Sie hat es geschafft, rauszuklettern und wegzulaufen.«
»Na, dann hol sie zurück.«
Ben drehte sich zur Tür und wollte schon loslaufen, doch dann hielt er plötzlich inne. »Warum soll ich sie zurückholen?«
Diondra stellte sich dicht vor ihn, nahm seine Hände und legte sie auf ihren Bauch. »Ben, siehst du denn nicht, dass das alles vorbestimmt war? Glaubst du, es ist Zufall, dass wir heute Nacht das Ritual gefeiert haben und jetzt, wo wir Geld brauchen, ein Mann daherkommt und – peng – deine Familie tötet? Du erbst das ganze Geld von der Lebensversicherung deiner Mutter, und wir können tun, was du willst, wir können in Kalifornien wohnen, am Strand, oder in Florida.«
Ben hatte nie gesagt, dass er in Kalifornien oder Florida leben wollte. Das war Diondras Ding.
»Wir sind jetzt eine Familie, wir können eine richtige Familie sein. Nur Libby ist ein Problem. Wenn sie was gesehen hat.«
»Und was, wenn nicht?«
Aber Diondra schüttelte bereits den Kopf. »Klarer Schnitt, Baby. Es ist zu gefährlich. Du musst jetzt tapfer sein.«
»Aber wenn wir die Stadt heute Nacht verlassen müssen, dann kann ich nicht auf die Lebensversicherung warten.«
»Na ja, natürlich können wir heute Nacht nicht los. Wenn wir abhauen, machen wir uns nur verdächtig. Aber siehst du denn nicht, was für ein Glücksfall das alles ist – kein Mensch wird mehr von diesem Mist mit Krissi Cates reden, denn jetzt bist du ein Opfer. Die Menschen werden nett zu dir sein wollen. Und ich versuche einfach, das hier«, sie befingerte ihren Bauch, »das hier noch mal einen Monat zu verstecken, irgendwie. Vielleicht kann ich die ganze Zeit im Mantel rumlaufen oder so. Und dann kriegen wir das Geld und fliegen los. Frei. Du wirst nie wieder Scheiße fressen müssen.«
»Aber was ist mit Michelle?«
»Ich hab ihr Tagebuch«, sagte Diondra und hielt ihm das neue Heft mit dem Minni-Maus-Deckel hin. »Kein Problem.«
»Aber was sagen wir wegen Michelle?«
»Du sagst, der verrückte Mann hat sie umgebracht. Genau wie die anderen. Genau wie Libby.«
»Aber was ist mit …«
»Und Ben, du darfst niemandem sagen, dass du mich kennst, nicht bevor wir von hier weg sind. Ich darf mit dem ganzen Schlamassel hier nicht in Verbindung gebracht werden. Verstehst du? Du weißt ja, was passiert, wenn ich das Baby im Gefängnis kriege, ja? Dann kommt es in eine Pflegefamilie, und du siehst es nie wieder. Möchtest du das für dein Baby, für die Mutter deines Kindes? Du hast immer noch die Chance, dich wie ein großer Junge zu verhalten. Wie ein Mann. Also, jetzt geh und hol mir Libby.«
Er nahm die große Taschenlampe und machte sich, Libbys
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