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Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)

Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)

Titel: Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Flynn
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sich alle ihre persönlichen Theorien ausdachten, wer meine Familie ermordet hatte. Da sie allesamt Freaks waren, würde es ihnen wahrscheinlich schwerfallen, jemanden zum Reden zu kriegen. Aber ich konnte das. Die Polizei würde sich bemühen, mich armes kleines Opfer nicht vor den Kopf zu stoßen, und das galt wahrscheinlich auch für viele der potentiellen Verdächtigen. Wenn ich meinen Vater finden könnte, würde ich ihm Fragen stellen, wenn diese Leute so viel Wert darauf legten.
    Nicht dass das unbedingt etwas bringen würde. Zu Hause unter meinem hellen Hamsterlicht, in Sicherheit, rief ich mir ins Gedächtnis, dass Ben schuldig war (so musste es sein,
es musste
), hauptsächlich weil ich eine Alternative nicht aushalten konnte. Jedenfalls nicht, wenn ich funktionieren wollte, und zum ersten Mal seit vierundzwanzig Jahren musste ich das. Ich begann im Kopf zu kalkulieren: fünfhundert Dollar für ein Gespräch mit den Cops, vierhundert Dollar für ein Gespräch mit Bens Freunden, tausend Dollar für die Suche nach Runner, zweitausend, wenn ich ihm Informationen aus der Nase zog. Wahrscheinlich hatten die Fans eine ganze Liste mit Leuten, die ich dazu bringen konnte, der kleinen Day-Waise ein bisschen ihrer Zeit zu schenken. Ein guter Plan, mit dem ich mehrere Monate überbrücken könnte, wenn ich es geschickt anfing.
    Schließlich schlief ich ein, in der Hand noch die Rumflasche, im Kopf das beruhigende Mantra: Ben Day ist ein Mörder.

Ben Day
    2 . Januar 1985
9 Uhr  13
    B en schlidderte übers Eis, die Räder seines Fahrrads tanzten wild. Eigentlich war der Weg für Mountainbikes gedacht, für den Sommer, und es war dumm, jetzt, wo er gefroren war, hier lang zu fahren. Noch dümmer war allerdings, wie er es machte: Während er wie ein Wahnsinniger in die Pedale trat und halsbrecherisch über den höckerigen, rechts und links von abgebrochenen, stoppeligen Maisstängeln gesäumten Feldweg holperte, versuchte er den blödsinnigen Schmetterlingsaufkleber abzuknibbeln, den eine seiner Schwestern auf den Tacho geklebt hatte. Schon seit Wochen prangte er dort und hatte Ben mal mehr, mal weniger gestört, aber nie genug, um etwas dagegen zu unternehmen. Er hätte gewettet, dass Debby dafür verantwortlich war, er konnte sich ihr dämliches Augenklimpern direkt vorstellen:
Das sieht aber hübsch aus!
Gerade als er das Ding halb entfernt hatte, raste er über einen eisfreien Erdfleck, das Vorderrad schwenkte komplett nach links, das Hinterrad blockierte. Aber er flog nicht einfach über den Lenker, sondern wurde hochgerissen, ein Bein noch im Pedal verhakt, stürzte zur Seite und landete auf dem rechten Arm in den Maishalmen, das rechte Bein unter sich gekrümmt. Sein Kopf schlug hart auf dem Boden auf, und seine Zähne knallten aufeinander, dass ihm die Ohren dröhnten.
    Als er – nach zehn tränenblinzelnden Sekunden – wieder Luft bekam, fühlte er ein warmes Blutrinnsal neben dem Auge. Gut. Mit den Fingerspitzen rieb er das Blut über die Wange, spürte aber, wie aus der Platzwunde auf seiner Stirn sofort neues Blut nachfloss. Er wünschte sich, er wäre noch viel schlimmer gestürzt. In seinem ganzen Leben hatte er sich noch nie etwas gebrochen – eine Tatsache, die er nur äußerst ungern zugab.
Echt, Mann? Wie kommt man denn durch in der Welt, ohne sich was zu brechen?
Letzten Frühling war er mit ein paar Jungs ins städtische Freibad eingebrochen, hatte auf dem Sprungbrett in das große trockene Becken gestarrt und sich zu überreden versucht, hineinzuspringen, sich richtig zuzurichten, endlich mal was Verrücktes zu tun. Aber er war nur ein paar Mal auf und ab gehüpft, hatte einen Schluck Whiskey getrunken, war noch ein bisschen gehüpft und schließlich zu den Jungs zurückgeschlendert, die er kaum kannte und die ihn aus den Augenwinkeln beobachtet hatten.
    Ein Knochenbruch wäre zweifellos das Beste, aber ein bisschen Blut war auch nicht übel. Es floss stetig über seine Wange, tropfte von seinem Kinn aufs Eis.
    Vernichtung
.
    Das Wort kam ihm einfach so in den Kopf – sein Gehirn war wie ein klebriger Fliegenfänger, ständig blieben irgendwelche Sätze oder Bruchstücke von Songs darin hängen. Vernichtung. Vor seinem inneren Auge blitzte das Bild axtschwingender nordischer Barbaren auf. Eine Sekunde, wirklich nur eine Sekunde fragte er sich, ob er vielleicht in einem anderen Leben einer von ihnen gewesen war und es sich um einen Erinnerungsfetzen handelte, der wie ein Ascheflöckchen

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