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Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)

Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)

Titel: Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Flynn
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war, die
Libby! Libby!
schrie.
    Da setzte ich mich in Bewegung, riss ein Fenster in Moms Zimmer auf und zwängte mich durch das kaputte Fliegengitter, eine Steißgeburt hinaus auf den verschneiten Boden kaum einen Meter unter mir. Im Handumdrehen waren meine Socken durchweicht, meine Haare verfingen sich im Gebüsch. Aber ich rannte los.
    Libby!
Als ich mich umdrehte, sah ich im Haus nur ein einziges Licht im Fenster, alles andere war dunkel.
    Mit wunden Füßen erreichte ich den Teich und kauerte mich im Schilf zusammen. Genau wie meine Mom trug auch ich zwei Schichten Kleidung übereinander, eine lange Unterhose unter dem Nachthemd, aber ich zitterte, der Wind bauschte den dünnen Stoff und fegte kalte Luft über meinen Bauch.
    Auf einmal tanzte der Schein einer Taschenlampe über die Schilfhalme, durch das kleine Wäldchen, über den Boden dicht neben mir.
Libby!
Wieder Bens Stimme. Er verfolgte mich.
Bleib, wo du bist, Schätzchen! Bleib, wo du bist!
Die Taschenlampe kam näher und immer näher, Stiefel knirschten durch den Schnee, und ich weinte in meinen Ärmel, und alles tat mir so weh, dass ich beinahe bereit gewesen wäre aufzustehen, nur damit die Qual endlich aufhörte. Aber dann schwang der Lichtschein plötzlich weg von mir, die Schritte entfernten sich, und ich war allein, allein und halb erfroren. Das Licht im Haus erlosch, aber ich blieb, wo ich war.
    Stunden später, als ich schon so starr war, dass ich nicht mehr aufrecht stehen konnte, kroch ich im schwachen Licht der Morgendämmerung zum Haus zurück. Meine Füße spürte ich nicht mehr, meine Hände waren zu steifen Krähenkrallen gefroren. Die Tür stand offen, und ich humpelte hinein. Auf dem Boden vor der Küche fand ich ein trauriges Häufchen Erbrochenes, Erbsen und Möhren. Alles andere war rot – dicke Spritzer an den Wänden, Pfützen auf dem Teppich. Eine blutige Axt steckte in der Armlehne des Sofas. Meine Mom lag auf dem Boden vor dem Zimmer ihrer Töchter, den Oberkopf halb weggeschossen, klaffende Axtrisse in der dicken Schlafkleidung, eine Brust entblößt. Über ihr klebten lange rote Haarsträhnen mit Blut und Gehirnmasse an der Wand. Direkt neben ihr war Debby, die Augen weit aufgerissen, eine blutige Schliere quer übers Gesicht. Ihr Arm hing nur noch an ein paar Fasern, ein Axthieb hatte ihr den Bauch aufgeschlitzt, eine klaffende Wunde, schlaff wie der Mund eines Schlafenden. Ich rief nach Michelle, obwohl ich wusste, dass auch sie tot war. Auf Zehenspitzen schlich ich in unser Zimmer und fand sie zusammengerollt auf dem Bett mit ihren Puppen, am Hals schwarze Würgemale, an einem Fuß noch den Hausschuh, ein Auge offen.
    Die Wände waren mit Blut beschmiert, Pentagramme und hässliche Wörter. Fotzen. Satan. Alles war zerbrochen, zerrissen, zerstört. Gefüllte Einmachgläser an die Wand geschleudert und zerschlagen, Frühstücksflocken über den Boden gestreut. Ein einzelnes Rice Crispy klebte in der Brustwunde meiner Mutter, so planlos war die Zerstörung. Vom billigen Deckenventilator baumelte Michelles Schuh.
    Mühsam humpelte ich zum Küchentelefon, zerrte es zu mir auf den Boden und wählte die Nummer meiner Tante Diane, die ich als einzige auswendig wusste, und als Diane sich meldete, schrie ich:
Alle sind tot!
, mit einer Stimme, die so schrill war, dass es mir selbst in den Ohren wehtat. Dann zwängte ich mich in den Spalt zwischen dem Kühlschrank und dem Backofen und wartete auf Diane.
    Im Krankenhaus gab man mir ein Beruhigungsmittel und amputierte drei erfrorene Zehen und den halben Ringfinger. Seither warte ich auf den Tod.
     
    Kerzengerade saß ich im gelben elektrischen Licht. Holte mich aus dem Mordhaus und zwang mich, in mein erwachsenes Schlafzimmer zurückzukehren. Es würde noch viele Jahre dauern, bis ich starb, ich war kerngesund. Also brauchte ich einen Plan. Zum Glück konnte ich mein durchtriebenes Day-Gehirn auf Gedanken umschalten, die sich mit meinem persönlichen Wohlergehen beschäftigten. Die kleine Libby Day kannte den Trick. Man könnte es Überlebensinstinkt nennen. Oder, um es beim Namen zu nennen: Gier.
    Diese »Day-Fans«, diese »Aufklärer« würden nicht nur für alte Briefe bezahlen. Hatten sie mich nicht gefragt, wo Runner sei und wen von Bens alten Freunden ich noch kannte? Garantiert würden sie einiges springen lassen für Informationen, die nur ich ihnen liefern konnte. Diese Spaßvögel, die den Grundriss unseres Hauses auswendig lernten, Ordner mit Tatortfotos füllten und

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