Dark Secrets: Gesamtausgabe
durchgeführt. Ich habe Schatten auf den Bildern gesehen, kann sie aber nicht interpretieren. Der Radiologe wertet sie heute oder morgen aus, falls nötig zieht er noch einen Neurochirurgen zu Rate.“
Amanda starrte Spock offenen Mundes an, während Nicolai den Kopf schüttelte. „Ich verstehe das nicht.“
„Ich auch nicht“, gab Spock zu. „Aber ohne Zweifel hat jemand den Schädel geöffnet. Zu welchem Zweck, kann ich nicht sagen.“
„Sie ist aber nicht …“ Offenbar konnte Nicolai das Wort nicht aussprechen.
„Behindert?“, half ihm Spock und schüttelte den Kopf. „Nein. Alle Körperreflexe funktionieren. Sie hat ganz normal mit mir gesprochen. Sie ist schwach und verwirrt, aber bei sich.“
„Wie lange liegt der Eingriff zurück?“
Beide Männer sahen überrascht Amanda an, als sie die Frage stellte, so dass sie unwillkürlich die Schultern zusammenzog.
„Der Callusbildung und Länge der Haare nach zu urteilen, etwa ein Jahr.“
Nicolai entspannte sich ein wenig neben Amanda und atmete tief durch. „Gut, das -“
„Das war noch nicht alles.“ Spocks Stimme und sein ernstes Gesicht bescherten Amanda eine Gänsehaut.
„Was noch?“
„Sie …“ Wieder dieses Zögern von Spock. „Sie … verdammt, Nicolai! Sie hatte einen Kaiserschnitt.“
Amandas Herz blieb stehen, während sie überlegte, was das bedeutete.
Sie selbst würde nie ein Kind haben. Reflexartig glitt ihre Hand zu ihrem flachen Bauch. Schon vor über zehn Jahren hatten ihr die Ärzte erklärt, dass er nie von einem Kind anschwellen würde; dass sie unfruchtbar war.
Sie war so sehr in diesen Gedanken vertieft, dass sie kaum wahrnahm, wie Nicolai neben ihr erstarrte.
Ein fassungsloses Kopfschütteln, war seine erste Regung.
„Nein“, hauchte er. „Oh, mein Gott! Ich hatte keine Ahnung, dass sie schwanger war.“
Für einen quälenden Augenblick schwieg Spock, dann senkte er den Blick. „Es war nicht dein Kind, Nicolai. Der Kaiserschnitt ist erst ein paar Monate alt.“
Amanda spürte, wie aus Nicolais Lungen alle Luft entwich. Die nächste Frage brauchte er nicht zu stellen.
„Sie hat Vernarbungen vaginal und anal“, erklärte Spock leise. Sein Blick und Gesichtsausdruck gequält, als könnte er denselben Schmerz fühlen, den Daria gefühlt haben musste. „Es sieht so aus, als wäre sie nicht freiwillig schwanger geworden.“
Die Raumtemperatur schien in einem Sekundenbruchteil um mehrere Grad zu fallen. Fast hatte Amanda das Gefühl, als würde Nicolai diese Kälte ausstrahlen, zusammen mit einer zerstörerischen Kraft, die im nächsten Moment explodierte. Als er mit einem unbändigen, verzweifelten Wutgeheul aufsprang, zog sie reflexartig den Kopf ein. Wie rasend griff er nach einer Bleikristallvase und zerschmetterte sie an der Wand. Sein Gesicht war eine vor Schmerz verzerrte, hohle Fratze. Seine Finger waren zu Krallen verkrampft, während er russische Worte vor sich hinmurmelte.
Als seine Stimme wieder zu einem Schreien anschwoll und er nach einem neuen Wurfgegenstand griff, sprang Spock auf und rammte ihn wie ein Rugbyspieler, presste ihn gegen die Wand und drückte ihm den Unterarm unters Kinn.
Schockstarr saß Amanda auf der Couch. Ihr Körper zitterte unkontrolliert, während Spock auf Russisch auf Nicolai einredete, um ihn zu beruhigen. Sie waren beide gleichgroß und Spock brauchte offenbar alle Kraft, um Nicolai von seiner Raserei abzuhalten.
„Amanda“, sagte Spock plötzlich leise. „Würden Sie uns für einen kurzen Moment entschuldigen?“
Nach einer Sekunde des Zögerns stand sie hastig auf und taumelte von der Couch Richtung Schlafzimmer. Noch bevor sie die Tür schloss, hörte sie, wie Spock wieder anfing auf Nicolai einzureden, dessen Gesicht sich wie ein Körper wand, gefangen zwischen Verzweiflung und unbändiger Wut.
Mein Gott, was hatte man dieser armen Frau angetan? Gab es irgendwo dort draußen ein Kind, das man ihr fortgenommen hatte? Bei den schrecklichen Misshandlungen hätte das Kind auch im Mutterleib gestorben sein können.
Ein Schluchzen riss Amanda aus ihren Gedanken. Fassungslos erkannte sie, dass es von Nicolai kam, der kraftlos an der Wand hinuntersank, noch immer in Spocks festem Griff. Unweigerlich stiegen auch ihr Tränen in die Augen. Die Situation war so verdammt hoffnungslos und traurig.
Beschämt, dass sie die beiden belauscht hatte, schloss sie leise die Tür hinter sich und ging zum Bett. Wann nur, würde dieser schreckliche Tag endlich
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