Dark Secrets (Gesamtausgabe)
nochmal!“
Sie hörte Nicolais verzweifeltes Rufen von der anderen Seite der Straße, das sie dazu brachte alle Kräfte zu mobilisieren und loszulaufen. Das Gewicht des Koffers behinderte sie, doch sie würde ihn nicht loslassen. Niemals!
Wieder schlug eine Kugel neben ihr ein. Ihre Beine! Man schoss auf ihre Beine!
Als sie den Blick hob, fand er den der Wachen hinter dem Tor, die sie alarmiert erwarteten.
„Pierce!“, rief sie keuchend und aus vollem Hals. „Amanda Pierce!“
Nur noch wenige Meter von der Botschaft entfernt, beobachtete sie erleichtert, wie sich die Tore öffneten. Eine der Wachen hatte die Waffe gezogen und zielte hinter Amanda.
Im vollen Laufschritt sprang sie auf britischen Boden, wurde von einer der Wachen aufgefangen.
Kurz spürte sie einen beißenden Schmerz im Rücken, der ihr die Luft nahm.
„Sie ist getroffen!“, hörte sie einen Mann rufen.
Ihr Sichtfeld verschwamm. Sie konnte nicht einatmen, hing hilflos und bewegungsunfähig in den Armen der Wache, spürte wie ihr der Koffer entglitt. Sie konnte ihn nicht festhalten. Ihre Finger gehorchten nicht länger den Impulsen ihres Gehirns.
„Bring‘ sie rein! Schnell!“
Amanda schwand das Bewusstsein. Als Letztes hörte ein verzweifeltes, wütendes Brüllen, das schmerzhaft in ihren Gedanken widerhallte.
Nicolai!
XI
Amanda ließ die Waffe sinken und drückte auf den kleinen roten Knopf an der Trennwand. Als ihre Zielscheibe in erkennbare Nähe kam, lächelte sie halb zufrieden, halb grimmig.
Von acht Schüssen waren immerhin fünf im Gold.
Die letzten Wochen Training waren also nicht völlig umsonst
, dachte sie und spannte eine neue Zielscheibe ein, die per Knopfdruck ans Ende des Schießstandes fuhr.
Routiniert schob sie ein neues Magazin in die Glock, hob sie an, wie sie es seit ihrer Flucht aus Russland wohl tausende Male getan hatte und feuerte; immer zwischen zwei Atemzügen.
Bei dem Gedanken, dass sie sich Nicolai besonders nahe fühlte, wenn sie abdrückte, zog sie ernsthaft einen passenden Therapeuten in Betracht.
„Dr. Pierce?“
Amanda spürte eine leichte Berührung auf der Schulter und drehte sich nach der Stimme um, die sie gehört hatte.
Hinter ihr stand eine ungewöhnlich schlanke, dunkelhäutige Frau mit ernstem Gesicht und streng nach hinten gekämmtem Haar.
„Ja?“, fragte sie, indem sie den Kopfhörer abnahm.
„Könnte ich Sie wohl einen kurzen Moment sprechen?“
„Natürlich.“
Amanda entlud die Waffe, sicherte sie und steckte sie ein. Dann folgte sie der Frau, die einige Schritte vom Schießstand zurückgetreten war.
„Sollen wir in den Aufenthaltsraum gehen?“
Amanda zog die Stirn kraus, und fragte sich, wer die Fremde war, und was sie von ihr wollte. „Gerne.“
Im Aufenthaltsraum angekommen, setzten sie sich zusammen an einen weiß lackierten, runden Tisch, von denen es in dem kahlen Raum ein Dutzend gab. Das unverständliche Rauschen des Flachbildschirms an der Wand war das einzige Geräusch. Sie waren alleine.
„Ich fürchte, ich habe Ihren Namen nicht verstanden“, sagte Amanda mit unverbindlicher Freundlichkeit.
„Das muss daran liegen, dass ich ihn noch nicht erwähnt habe.“ Sie lächelte offen, und war Amanda damit auf Anhieb sympathisch. „Ich bin Chief Inspector Romina Monroe von Scotland Yard.“
Unwillkürlich straffte Amanda die Schultern und verschränkte die Arme vor der Brust. Nur mit großem Widerwillen dachte sie an all die Verhöre und Befragungen, die sie seit ihrer Rückkehr aus Moskau hatte durchstehen müssen.
„Ich denke, ich habe mich mehr als rehabilitiert und all ihre Fragen ausführlichst beantwortet. Sämtliche Vorwürfe gegen mich wurden fallengelassen.“
Monroe hob beschwichtigend die Hände. „Ich weiß, Dr. Pierce. Deswegen bin ich nicht hier.“
Unweigerlich wurde Amanda nervös. Sie zupfte den Ärmel ihrer dunklen Bluse glatt. „Warum sind Sie dann hier?“
„Sie hatten nach ihrer Rückkehr nach London ausgesagt, dass Sie von Dimitrij Zwetajew entführt und gefangen gehalten worden sind.“
Unweigerlich breitete sich eine Gänsehaut über Amandas gesamten Körper, wenn sie an die quälenden Tage in der Eiseskälte, die Verhöre unter Drogen zurückdachte.
„Das ist richtig“, bestätigte sie tonlos und rieb sich unwillkürlich die fröstelnden Unterarme. „Warum fragen Sie?“
„Wir haben eine Nachricht erhalten, nach der Dimitrij Zwetajew offenbar wieder jemanden entführt hat.“
„So leid mir das tut, Inspector
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