Dark Silence - Denn deine Schuld wird nie vergehen
Tochter.«
»Du bist auch seine richtige Tochter«, erwiderte ihre Mutter, und etwas von ihrem früheren Stolz kam wieder zum Vorschein.
»Nein, Mom, bin ich nicht. Ich bin nur ein Bastard. Peinlich, wie du schon sagtest.« Doch Kylie hing an den Lippen ihrer Mutter, als diese dann alles erklärte. Dolly war Kellnerin in einem exklusiven Club gewesen und total verliebt in den gutaussehenden, reichen und solide verheirateten Mann, von dem sie dann irgendwann schwanger war. Sie hatte von seinen Kindern gewusst, auch von der Frau, die ihn, wie er behauptete, ausblutete und niemals zur Scheidung bereit sein würde. Kylies Mutter hatte zudem erfahren, dass Dolly ihrem Lover nie auch nur das Geringste bedeutet hatte. »Er gab mir hunderttausend Dollar«, gestand sie.
»Und du hast alles verdorben.«
»Wir haben davon gelebt, Kylie, verdammt noch mal.« Dolly drückte wütend ihre Zigarette im überquellenden Aschenbecher aus. »Eines Tages wirst du das verstehen.«
»Niemals. Ich werde niemals klein beigeben und mich tot stellen, wie du es getan hast!« Kylie war in ihr Zimmer gestapft, hatte die Schranktüren aufgerissen und sämtliche Kleider aufs Bett geworfen, Designer-Markenkleider, die die Garderobe sämtlicher Mädchen in der Schule ausstachen, wenngleich die Sachen schon ein paar Jahre alt waren. Röcke und Pullis und Blusen, die Kylie voller Verlegenheit getragen hatte, weil sie so anders waren als die Jeans und T-Shirts, die ihre Mutter in Kaufhäusern erstand.
»Du sollst wissen, dass du mir alles bedeutest«, hatte ihre Mutter nach ihrem Geständnis gesagt, war hinter sie getreten und hatte die Arme um Kylies Taille geschlungen, während in Kylies Innerem die Empörung wütete. Es schmerzte zu wissen, dass sie nicht erwünscht war. »Ich war immer stolz auf dich, und er sollte es auch sein. Merkwürdig ist, dass du ihr, dieser Marla, so ähnlich siehst. Die Amhurst-Gene scheinen sehr dominant zu sein.«
Kylie hatte sich geweigert zu weinen. Stattdessen beschloss sie, es ihnen heimzuzahlen. Ihrem Vater und dieser rotznäsigen privilegierten Halbschwester. Doch zunächst musste sie sie kennenlernen, und dazu benötigte sie einen Plan.
Den ersten von vielen.
Es hatte nicht lange gedauert. Sie war kaum fünfzehn, als es ihr gelang, heimlich in die Stadt auszubüxen. Im Telefonbuch hatte Kylie die Adressen der Büros von Amhurst Limited gefunden und war bis vor das Büro ihres Vaters vorgedrungen. Dort log ihr eine übereifrige Sekretärin unverblümt ins Gesicht, dass MrAmhurst den ganzen Tag über in Konferenzen und viel zu beschäftigt wäre, um sie zu sehen.
»Dann warte ich«, beharrte Kylie, ließ sich im Empfangsbereich in einen Ohrensessel fallen und täuschte großes Interesse am Wall Street Journal vor. Männer in Geschäftsanzügen lagerten auf den Sofas und nestelten an den Schlössern ihrer Aktenkoffer, um sich einer nach dem anderen nach Aufruf hinter die Kirschholztüren mit der goldgeprägten Aufschrift zu begeben, die besagte: »Conrad Amhurst, Präsident«. Kylie wartete, bis ihre Blase zu platzen drohte.
Um fünf nach fünf Uhr nachmittags wurde sie von einem strengen Portier nach draußen befördert, der ihr sachlich empfahl, nach Hause zu gehen.
Sie war nicht gegangen. Sie ließ sich auf einer Bank gegenüber dem Privatparkplatz nieder. Sie kaute rote Lakritze und trank eine Coca-Cola und sah zu, wie teure Wagen aus reservierten Parkbuchten rollten und sich durch die Stadt entfernten. Schließlich, als es schon dunkel werden wollte, verließ ein schnittiger schwarzer Privatwagen mit getönten Scheiben den Parkplatz und fuhr davon. Sie wusste, dass ihr Vater darin saß, hatte ein Männerprofil gesehen und sich eingebildet, er habe ihr fest in die Augen gesehen, um sich dann wieder abzuwenden.
Als könnte er ihren Anblick nicht ertragen.
Sie hatte seinen Country Club aufgesucht, musste sich allerdings von einer schnippischen Empfangsdame sagen lassen, dass nur Mitglieder zugelassen waren. Sie hinterließ Nachrichten, auf die niemand reagierte, rief in seinem Büro und bei ihm zu Hause an, erhielt jedoch nie eine Antwort. Es war, als ob sie für Conrad Amhurst gar nicht existierte.
Kylie gab nicht auf.
An einem Sonntag kam es zu der erhofften Konfrontation.
Sie wusste, welche Kirche er besuchte, hatte ihn mit seiner Familie von weitem gesehen, als sie eines nebligen Sonntags die Kathedrale betrat. Kylie trug eines von Marlas abgelegten Kleidern, ein tiefgrünes Samtkleid, in dem
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