Dark Silence - Denn deine Schuld wird nie vergehen
in einem von Marlas abgelegten Kleidern und chic zurechtgemacht in einer kleinen Boutique auf Conrad Amhursts Rechnung ein unverschämt teures Kleid erstanden hatte. Als sie hochmütig zur Verkäuferin sagte: »Setzen Sie es Daddy auf die Rechnung«, hatte das eifrige Mädchen, in Gedanken schon bei der üppigen Provision, die das bodenlange, hautenge, mit Perlen bestickte schwarze Kleid ihr einbringen würde, hastig genickt und, während sie die Kasse bediente, lediglich angemerkt, dass das Kleid wie für ihre Kundin geschaffen sei.
Irgendwie hatte Marla jedoch davon erfahren, aber, soviel Kylie wusste, ihre Halbschwester nie verpetzt. Erst als sie erwachsen waren, hatte sie es einmal zur Sprache gebracht, damals, als sie Kylie mit ihrem Plan konfrontierte.
Jetzt, während sie auf dem abgeschabten Sofa saß und Nick ansah, der ihren Sohn im Arm hielt, hatte Kylie das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Ja, als Mädchen war sie streitsüchtig gewesen, als Frau starrsinnig, ein Mensch, der sich alles schwer erkämpfen musste. Jetzt musste sie dafür bezahlen.
Sie warf sich zurück in die Polster und starrte an die Decke. »Ich glaube, ich war kein sonderlich guter Mensch«, gestand sie Nick. »Nein, ich weiß es sogar genau.« Sie atmete tief durch, als sie an all die Jahre dachte, die erfüllt waren von Neid auf ihre Halbschwester, an all die Nächte, in denen sie wach gelegen und gedacht hatte: Warum ich? Warum liebt mein Vater mich nicht? Oder an die Nächte, in denen ein noch härteres, hässlicheres Gefühl in ihr brannte, schierer, glühender Hass auf eine privilegierte Halbschwester, die in der Liebe ihres Vaters aufgewachsen war. Kylie hatte diesen Hass genährt und war in Konkurrenz zu einer Schwester getreten, die so tat, als wüsste sie nichts von Kylies Existenz.
»Ich hasste Marla, wollte ihr alles heimzahlen«, gab Kylie zu und dachte wieder an Marlas Besuch in ebendieser, ihrer Wohnung.
»Also, was ist passiert?«, fragte Nick. »Wie kam es dazu, dass du jetzt als Alex’ Frau auftrittst und dich als Marla ausgibst?«
»Ich fürchte, das war ein dummer Zufall. Dazu kam es nur, weil ich bei dem Unfall nicht ums Leben gekommen bin.« Kylie holte weiter aus. »Marla konnte keine Kinder mehr bekommen, und sie hatte erfahren, dass unser Vater sein Testament geändert hatte, dass sie nicht bedacht werden sollte, nur mit einem männlichen Erben. Cissy reichte dem Alten nicht.«
»Das ist heutzutage doch unvorstellbar.«
»Conrad Amhurst lebte nach seinen eigenen Gesetzen, schob die Menschen herum wie Schachfiguren«, erklärte sie. »Das hast du selbst gesagt. Aber offenbar wusste er nichts von Marlas Hysterektomie. Wie auch immer, Marla schlug mir vor, ein Kind zu bekommen – ihren Sohn. Ich brauchte lediglich schwanger zu werden, das Kind zur Welt bringen und ihr überlassen, es als das ihre ausgeben.« Während sie die entsetzlichen Worte aussprach, krümmte Kylie sich innerlich zusammen. Sie hatte das Gefühl, sich übergeben zu müssen. »Ich weiß, ich weiß, das ist grauenhaft. Ich war … sehr ichbezogen.« Sie stand auf, ging zu Nick und nahm ihm das Kind aus den Armen. Als sie in das liebe Gesichtchen des Babys blickte, den Haarflaum und die winzigen Fingerchen sah, konnte sie nicht glauben, dass sie so herzlos, kalt und berechnend hatte sein können.
»Mehr wurde nicht von dir verlangt?«, fragte Nick kalt.
»Nein. Nur dass ich Stillschweigen bewahren sollte.« James im Arm, konnte Kylie es selbst nicht glauben, doch allzu deutlich erinnerte sie sich an den Tag, als Marla ihr diesen Plan vorgetragen hatte. »Marla hatte sich alles genau überlegt. Sie wusste, dass wir die gleiche Blutgruppe haben, hatte sogar schon einen Arzt überredet, den Krankenbericht zu fälschen.«
»Robertson.«
»Ja. Er ist ein Freund der Familie, der Geld für seine Klinik und das Bayview Hospital wollte, an denen er umfangreich beteiligt ist.« Ihr war übel. Sie setzte sich in ihren Lieblingssessel, den Sessel, in dem Marla an jenem schicksalhaften Abend gesessen hatte. Kylie sah die Begegnung so deutlich vor sich, als hätte sie erst gestern stattgefunden.
»Ich möchte dir einen Vorschlag machen«, hatte Marla gesagt, als Kylie, überrascht, ihre Halbschwester auf ihrer Schwelle zu sehen, ihr die Tür öffnete. Marla, mit Regenmantel, Schirm, Sonnenbrille und breitkrempigem Hut, drängte in die Wohnung. Falls sie Kylies Behausung nicht ansprechend fand, behielt sie ihre Meinung zumindest
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