Dark Silence - Denn deine Schuld wird nie vergehen
reichen.
»Setz dich lieber«, riet er ihr jetzt und legte sich James an die andere Schulter. »Und sag mir, was los ist.«
»Ich habe mich gerade erinnert«, sagte sie und entdeckte die Fensterbank, auf der das einzige Haustier, das sie je besessen hatte, ein streunender getigerter Kater mit großen grünen Augen und der Angewohnheit, jede einzelne Strumpfhose in ihren Schubladen zu zerfetzen, oft gesessen hatte. Sie hatte ihn Vagabund genannt, und zwei Jahre nach seinem Auftauchen war er wieder fortgegangen. Kylie hatte nie erfahren, was aus ihm geworden war, obwohl sie wochenlang nach ihm gesucht und Tierheime, Freunde, Nachbarn und sogar die Polizei angerufen hatte. Die Polizei von San Francisco war natürlich nicht interessiert, und sie blieb mit dem schmerzlichen Gefühl zurück, sogar von ihrem Haustier verlassen worden zu sein.
»Verdammt«, flüsterte sie, sich vage bewusst, dass Nick sie beobachtete, während sie durch die Wohnung schritt. Sie öffnete die Tür eines Einbauschranks. Putzmittel und Reinigungsgeräte wurden hier aufbewahrt.
In diesem Moment erinnerte sie sich mit erstaunlicher Deutlichkeit an die Grundschule, ein Gebäude aus Stahl und Beton, in der sie durch Leistungen geglänzt hatte, als Entschädigung dafür, dass sie als Bastard abgestempelt wurde, ein Mädchen, das nicht wusste, wer sein Vater war. Sie reifte früh heran, früher als alle anderen in ihrer Klasse, und die älteren Jungen ärgerten sie. Einer hatte sie sogar gegen Ende des Schuljahrs in die Putzkammer des Hausmeisters gelockt und ihr zehn Dollar für einen Blick auf die aufregendsten Brüste in der gesamten Benjamin-Franklin-Grundschule geboten. Es war eine Herausforderung, und einer Herausforderung hatte sie sich noch nie entzogen.
In der Kammer war es stickig gewesen. Beleuchtet wurde sie von einer nackten Glühbirne, an den Wänden standen Regale mit Putzmitteln, Toilettenpapier und Schachteln voller Plastiktüten. Drei Jungen und Kylie drängten sich zwischen Wischmopps, Mülleimern und verblichenen Postern von Farrah Fawcett und Raquel Welch.
»Komm schon, Kylie, warum nicht?«, hatte Ian Perth gefragt. Er war bekannt für seinen Mundgeruch, und der Schweiß lief ihm über das fleischige rote Gesicht.
»Ich habe gehört, für Geld tust du alles«, fügte Brent Mallory hinzu. Er hatte einen Sonnenbrand, die Zähne waren viel zu groß für sein Gesicht, und sein blondes Haar stand in alle Himmelsrichtungen ab.
Von Lucas Yamhill, einem großen, gutaussehenden Jungen, hatte Kylie sich schließlich überreden lassen. Er ging im ersten Jahr auf die High School, hing aber manchmal noch mit den jüngeren Schülern ab. Seinem Dad gehörten der Lebensmittelladen im Ort und ein weiterer in einer Stadt südlich von San Leandro. »Mach schon, zeig uns deine Titten. Für zehn Dollar kriegt man eine ganze Menge.«
Sie wollte es tun. Nur, um Brent und Ian, den widerlichen Typen, zu zeigen, dass sie keine Angst hatte, und um Lucas zu beeindrucken. Nur zu gern hätte sie sich Lucas gegenüber entblößt. Warum auch nicht? Und es war zehn Dollar wert.
Also hatte sie es getan. In dem heißen, engen Kämmerchen hob sie ihr T-Shirt, zog es sich über den Kopf und ließ es zu Boden fallen.
Brent pfiff durch die Zähne.
Schwungvoll warf sie wie ein Model in der Shampoowerbung das Haar über die Schultern zurück und blieb dann reglos stehen. Ihr Dekolleté war zu sehen. Das reichte.
»Hey, das ist nicht fair. Du trägst ja einen BH!«, beschwerte sich Ian, der sich betrogen fühlte.
»Genau«, stimmte Brent ihm zu, als ihm bewusst wurde, dass er reingelegt worden war. »Dafür bezahle ich nicht. Meine Schwestern habe ich schon tausendmal im BH herumlaufen sehen.«
Lucas dreist-lüsternes Grinsen ließ ihr das Blut in den Adern prickeln. »Ich erhöhe auf zwanzig, wenn ich ihn dir ausziehen darf.«
»Fünfundzwanzig«, sagte sie frech und fing an zu schwitzen. »Und nur, wenn die beiden nicht dabei zusehen.«
»Für fünfundzwanzig und eine Privatvorstellung möchte ich sie auch anfassen.« Als Lucas sie jetzt ansah, wurden seine hellbraunen Augen beinahe schwarz, und sein verhangener Blick enthielt noch etwas anderes. »Ich will dich überall anfassen.«
Sie spürte ein Pochen zwischen den Beinen; ihr Puls flatterte. Millionen Schmetterlinge wirbelten in ihrem Bauch. »Schick sie weg«, verlangte sie mit einem Blick auf Ian und Brent.
»Kommt nicht in Frage. Ich habe drei Dollar bezahlt!« Ian verschränkte die
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