Dark Silence - Denn deine Schuld wird nie vergehen
Wichtigkeit.
Sie schüttelte den hässlichen Gedanken ab und richtete ihre Aufmerksamkeit darauf, das Baby zu füttern. Ihr Herz öffnete sich dem Kleinen, der sie zu akzeptieren schien, wenn auch zu Anfang zögerlich. Bei Coco, dem kleinen struppigen Hund auf dem Kissen neben Eugenias Strickbeutel, lagen die Dinge anders – er schaute Marla an, als sei sie Mata Hari. Seine dunklen Augen folgten jeder ihrer Bewegungen, und trotz wiederholter Ermahnungen von Seiten Eugenias knurrte er leise.
»Wo ist Cissy?«, fragte Marla, ohne das Tier zu beachten.
»Sie ist nach der Schule mit Freundinnen shoppen gegangen, und Alexander ist natürlich« – Marlas Schwiegermutter warf einen Blick auf die schmale goldene Uhr an ihrem Handgelenk – »noch nicht aus dem Büro zurück.«
Und Nick?, hätte Marla gern gewusst, sprach die Frage aber nicht aus. Sie rieb sich das Kinn und verzog schmerzlich das Gesicht.
»In ein paar Tagen werden diese Drähte entfernt«, sagte Eugenia, den Blick auf ihr Strickzeug geheftet.
»Je eher, desto besser.«
»Ich kann dich da gut verstehen. Später in der Woche hast du einen Termin beim plastischen Chirurgen. Wenn die Drähte entfernt worden sind, kannst du deine Zähne untersuchen lassen, aber wie es aussieht, ist eine zahnärztliche Behandlung nicht nötig.«
»Man muss dem Herrn auch für kleine Gnaden dankbar sein.«
»Du wirst dich fühlen wie neugeboren«, prophezeite Eugenia.
Im Augenblick fühlte Marla sich allerdings keineswegs so. Eher wie neu zusammengesetzt, ähnlich einem Auto mit Totalschaden, das ganz knapp der Verschrottung entkommen war. Doch sie hielt den Mund und versuchte, sich von dem latenten Gefühl, dass sie manipuliert wurde, zu befreien. Manipuliert von wem? Und warum? Sie hatte keine Antworten auf diese ermüdenden Fragen, und um sich davon abzulenken, spielte sie mit ihrem Sohn.
Irgendwann begann der Kleine zu weinen. Sofort sprang Fiona auf, nahm ihn Marla aus den Armen und verkündete, dass sie ihn zu einem Schläfchen niederlegen wolle.
Das Telefon klingelte, und binnen Sekunden huschte Carmen mit einem schnurlosen Gerät ins Zimmer. »Es ist für Sie«, sagte sie zu Marla. »MrsLindquist.«
»Du brauchst den Anruf nicht anzunehmen …«, sagte Eugenia rasch, doch Marla nahm Carmen bereits das Telefon ab.
»Hallo?«, meldete sie sich, ein wenig undeutlich wegen der dummen Drähte, die ihr den Mund verschlossen.
»Marla! Du bist tatsächlich zu Hause!«, schrillte eine überschwengliche Frauenstimme über Hintergrundgeräusche hinweg. »Die Zeit im Krankenhaus hat dir doch sicher den letzten Nerv geraubt! Wie geht’s dir?«
»Ich lebe.«
»Was?«
»Ich sagte, mir geht’s gut«, erklärte Marla.
»Entschuldige, ich bin im Club, und hier ist es laut, und deine Stimme klingt komisch. Die Drähte, wie? Wie auch immer, ich dachte, ich versuche einfach mal, dich zu Hause zu erreichen. Wann kann ich dich besuchen?«
»Jederzeit«, erwiderte Marla und sah, wie Eugenia missbilligend die Mundwinkel herabzog und nach den Stricknadeln und einem Strang korallenroter Wolle griff.
»Darfst du denn schon Besuch empfangen?«
»Natürlich.« Warum sollte sie ihre Freundinnen nicht sehen dürfen? Die Lippen ihrer Schwiegermutter bewegten sich stumm, während sie Maschen zählte, dann begannen die Nadeln leise zu klicken.
»Das dachte ich auch, aber Alex war strikt dagegen, dass dich jemand im Krankenhaus besucht. Ich habe es versucht, traf aber auf einen Wachhund von Schwester, die aussah, als gehörte sie zum olympischen Ringerteam, oder wie das heißt. Jedenfalls hat sie mich nicht zu dir gelassen.«
»Ach ja?« Marla warf einen Seitenblick zu Eugenia, die strickte, als hinge ihr Leben davon ab. »Wahrscheinlich, weil ich im Koma lag.«
»Möglich.«
»Aber jetzt würde ich dich sehr gern sehen«, sagte Marla, obwohl sie sich absolut nicht an Joannas Gesicht erinnern konnte. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Eugenia die Zähne zusammenbiss und missbilligend den Kopf schüttelte. Marla ignorierte ihre Schwiegermutter. »Wie wäre es mit heute Abend? Auf einen Drink?«
Eugenias Kopf ruckte hoch, und um ihre Augen bildeten sich Sorgenfalten.
»Klar. Gern. Ich kann nicht lange bleiben, aber ich könnte nach dem nächsten Satz bei dir reinschauen. Sagen wir, in … in anderthalb Stunden?«
»Prima. Bis dann.« Marla verabschiedete sich und unterbrach die Verbindung, bevor ihre Schwiegermutter anfangen konnte, die Einwände zu erheben, die so deutlich
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