Dark Silence - Denn deine Schuld wird nie vergehen
weißt schon, du hast immer die Blicke der Männer auf dich gezogen«, erklärte Joanna mit einer Spur von Bitterkeit, einem Hauch von Eifersucht, und Marla hätte gern gewusst, was für eine Art von Freundschaft zwischen ihnen beiden bestanden hatte.
Oder was für eine Frau du warst. Joanna spricht es nicht aus, aber sie deutet an, dass du dich in der männlichen Gunst, mit der du überschüttet wurdest, gesonnt hast, sie vielleicht sogar provoziert hast. Dieser Gedanke bereitete ihr Magenschmerzen.
»Die Sache mit Pam tut mir schrecklich leid«, sagte Joanna und nahm mit spitzen Fingern eine Erdbeere von der Platte. »Ich weiß, sie war deine Freundin.«
»Deine auch, oder?«
»Ich kannte sie gar nicht.«
»Aber sie war doch Mitglied im Club.«
»Ach ja?« Eine Pause entstand, in der Joanna nachdenklich die Erdbeere verzehrte. »Ich … ich glaube nicht. Ich habe sie zumindest nie im Club gesehen.«
»Ich habe nicht mit ihr Tennis gespielt?«
»Nein … hm, nicht, dass ich wüsste, aber es ist ja auch schon eine Weile her, weißt du? Du warst eine Zeitlang verreist … nach Mexiko, glaube ich, dann warst du schwanger, und … na ja, ich jedenfalls habe nie mit ihr Tennis gespielt, und als du in unserer Liga warst … Ehrlich gesagt, ich entsinne mich nicht, dass du Pam je erwähnt hättest. Erst nach dem Unfall erfuhr ich, dass du mit ihr befreundet warst …« Sie breitete die Hände aus. »Der Club ist schließlich groß, da kann man nicht alle Mitglieder kennen. Ich weiß nur, dass niemand aus unserer Gruppe Kontakt zu Pam hatte.«
Marla lief es kalt über den Rücken. Sie war sicher, dass Alex oder ein Polizeibeamter oder sonst jemand gesagt hatte, sie hätte mit Pam Delacroix Tennis gespielt … Oder hatte sie es sich nur eingebildet? Vielleicht spielte ihr Gedächtnis ihr einen Streich. Alles war so frustrierend und verschwommen. Aber es gab eine Möglichkeit, sich Klarheit zu verschaffen. »Du hast nicht zufällig eine Adressenliste der Clubmitglieder?«
»Hm, doch.« Joanna leckte sich den Zeigefinger ab und nickte ungestüm, als drängte es sie zu helfen. »Hier.« Sie stellte ihr Glas auf den Tisch und kramte in ihrer übergroßen Handtasche, die ihr gut und gern gleichzeitig als Sporttasche hätte dienen können. »Ich muss sie nur noch finden.« Nachdem sie verschiedene Fächer durchsucht hatte, öffnete sie den Reißverschluss einer Seitentasche und förderte ein Adressbuch zutage. » Voilà! Manchmal grenzt es schon an ein Wunder, dass ich in diesem Chaos überhaupt etwas finde.«
Mit leisem Unbehagen blätterte Marla die Seiten um. Beim Buchstaben D angekommen, fuhr sie mit dem Finger an den Namen entlang. Kein einziger kam ihr bekannt vor. Delacroix fand sie nicht. Kein Name, keine Telefonnummer. Als hätte es sie nie gegeben. »Verdammt.« Insgeheim hatte Marla nichts anderes erwartet – sie hatte es gespürt. Sie las die Liste wieder und wieder durch, jedes Mal langsamer. Es nutzte nichts.
»Fehlanzeige, wie?« Joanna hob die Schultern, schnitt ein Häppchen Käse ab und legte es auf einen Cracker. »Ich sage dir, ich glaube nicht, dass ich den Namen vorher je gehört habe. Wir haben darüber geredet, Robin, Nancy und ich – aber keiner von uns kann sich erinnern, dass du Pam je erwähnt hast.« Sie schob den mit Brie belegten Cracker in den Mund. »Weißt du, wir haben ein paar Mal in der Woche Bridge zusammen gespielt. Man müsste doch annehmen, dass wenigstens einer von uns sich erinnern würde, wenn du von ihr gesprochen hättest.«
»Aber in der Unfallnacht war sie mit mir zusammen gewesen, und jetzt … Jetzt ist sie tot. Der LKW-Fahrer ebenfalls.«
»Er ist tot?«, vergewisserte sich Joanna, wich ein wenig zurück und krauste leicht angewidert die kleine Nase. »Unter den gegebenen Umständen ist es wohl eine Gnade für ihn.«
Erzähl das mal seiner Familie, dachte Marla. Ihr wurde übel bei der Vorstellung. »Es ist verdammt schwer für mich.«
»Ich weiß.«
Ach ja? Wie kannst du das wissen? Zwei Menschen sind tot, tot , meinetwegen, und ich kann mich an nichts erinnern! Marla umfasste so verkrampft ihr Glas, dass sie fürchtete, der Stiel würde abbrechen, doch es gelang ihr, den Mund zu halten. Schließlich war Joanna ihre Freundin, war gekommen, um ihr zu helfen, und stellte eine Verbindung zur Außenwelt dar.
Joanna zog die säuberlich gezupften Brauen ein wenig zusammen und biss noch einmal von dem Cracker ab. »Also, nun mal ehrlich, wie fühlst du
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