Dark Swan - Mead, R: Dark Swan
gekommen war. Hatte ich nicht gerade noch festgestellt, dass ich außerhalb der Gesellschaft lebte? Und nun redete ich mit einem Mann, den ich gerade erst kennengelernt hatte, als ob ich ihn schon mein Leben lang kannte. Ich erkannte die Worte kaum wieder, die aus meinem Mund kamen. Und meine Körpersprache auch nicht: Ich neigte mich ihm beim Reden entgegen, und unsere Beine berührten sich. Er hatte kein Rasierwasser benutzt, aber er roch, wie er aussah: nach Dunkelheit und Sex und Hitze. Und nach Versprechen. Hey Süße, ich kann dir alles geben, was du je haben wolltest, wenn du mir nur die Chance gibs t …
Irgendwann lehnte ich mich über den Tresen, um eine leere Bierflasche zurückzugeben, da spürte ich plötzlich, wie Kiyo mir mit dem Finger über den Rücken strich, unten, wo mein T-Shirt hochgerutscht war. Ich zuckte zusammen, als diese leichte, beiläufige Berührung mir einen Stromstoß durch den Körper jagte.
„Hier kommt noch mehr Ehrlichkeit“, sagte er mit leiser Stimme. „Dieses Tattoo gefällt mir. Sehr. Auch wieder Veilchen?“
Ich nickte und setzte mich wieder auf meinen Barhocker, aber Kiyo nahm die Hand nicht weg. Das Tattoo stellte eine Girlande aus Veilchen und Blättern dar und erstreckte sich über meinen unteren Rücken. Eine größere Ansammlung Blüten bedeckte mein Steißbein, von dort erstreckten sich zwei kleine Ranken nach außen bis fast auf die Hüften.
„Das Veilchen ist sozusagen meine persönliche Blume geworden“, erklärte ich, „wegen meiner Augen.“
Er beugte sich vor, und ich hielt fast den Atem an, so dicht waren seine Lippen an den meinen. „Wow. Du hast recht. Diese Augenfarbe habe ich noch nie bei irgendjemandem gesehen.“
„Ich hab noch drei.“
„Augen?“
„Tattoos.“
Das ließ ihn aufhorchen. „Wo?“
„Das Shirt verdeckt sie.“ Ich zögerte. „Kennst du dich mit griechischer Mythologie aus?“
Er nickte. Ein kultivierter Mann. Der richtige Moment, ohnmächtig in seine Arme zu sinken.
Ich tippte an den Ärmel über meinem rechten Oberarm. „Hier ist eine Schlange, die sich ganz um den Arm windet. Sie steht für Hekate, die Göttin der Magie und des Halbmonds.“ Ich erwähnte nicht, dass Hekate die Hüterin der Kreuzwege zwischen den Welten war. Sie wachte über die Reisen zur Anderswelt und noch darüber hinaus. Dieses Tattoo verband mich mit ihr, um mir die Übergänge zu erleichtern und sie nötigenfalls um Hilfe bitten zu können.
Ich tippte an den linken Ärmel. „Hier ein Schmetterling. Seine Flügel gehen ganz herum und berühren sich auf der anderen Seite. Er ist zur Hälfte schwarz und zur Hälfte weiß.“
„Psyche?“
„Fast.“ Er war wirklich kultiviert. Die Göttin Psyche war gleichbedeutend mit der Seele, die in der Mythologie durch den Schmetterling verkörpert wurde. „Persephone.“
Er nickte. „Halb schwarz, halb weiß. Sie lebt zur Hälfte in dieser Welt und zur Hälfte in der Unterwelt.“
Ganz ähnlich wie ich. Persephone wachte über die Reisen in die Welt der Toten. Dort reiste ich nicht selbst hin, aber ich rief sie an, wenn ich andere hinüberschickte.
„Sie herrscht über den Neumond. Und hier hinten“, ich tippte an die Stelle, wo mein Nacken in den Rücken überging, „ist ein Mond mit einem stilisierten Frauengesicht darin. Selene, der Vollmond.“
In Kiyos dunklen Augen stand brennendes Interesse. „Aber warum keine der üblicheren Mondgöttinnen? Diana zum Beispiel.“
Ich zögerte mit der Antwort. In vielerlei Hinsicht hätte Diana denselben Zweck erfüllt. Sie war wie Selene an die Menschenwelt gebunden und hätte ebenso gut dafür sorgen können, dass ich geerdet blieb, die nötige Bodenhaftung behielt. „Die anderen sin d … einsame Göttinnen. Sogar Persephone, obwohl sie streng genommen verheiratet ist. Diana ist eine Jungfra u – sie ist auch allein. Aber Selen e … die kennt zwar kaum noch jemand, aber sie war eine geselligere Göttin. Eine sexuelle Göttin. Sie öffnet sich anderen. Ist für neue Erfahrungen offen. Also hab ich mich an sie gehalten. Weil es, glaube ich, einfach nicht gut für mich gewesen wäre, mit drei Göttinnen versehen zu sein, die alle allein waren.“
„Und was ist mit dir? Bist du allein, Eugenie?“ Seine Stimme war wie Samt, und in diesen Augen wäre ich am liebsten versunken. Sie waren wie Schokolade. Schokolade ist ein Aphrodisiakum.
„Sind wir das nicht alle?“, fragte ich mit einem traurigen Lächeln.
„Ja. Letztendlich sind
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