Dark Swan: Schattenkind (German Edition)
Dorians Wachen und Rolands Eskorte eine ganz schöne Menge um uns versammelt hatten. Dorian folgte meinem Blick und erriet meine Gedanken.
»Vielleicht sollten wir nach drinnen gehen, wo wir uns in kleinerem Kreis unterhalten können«, sagte er und lud sich damit automatisch mit ein. Roland war die Verblüffung kurz anzusehen; allerdings bestand kein ernsthafter Grund, warum Dorian nicht hätte hören dürfen, was besprochen wurde.
»Ich bin zuerst in deinem anderen Haus gewesen«, erzählte Roland auf dem Weg zur Burg. »Die Wachen dort haben mir erklärt, wo du bist, und mich hergeführt.« Ich musste über seine Wortwahl mit dem Haus schmunzeln. Die Vorstellung, dass ich eine Königin war, beunruhigte ihn immer noch, und er konnte sich nicht dazu durchringen, von meinem ›anderen Reich‹ zu sprechen.
»Dann haben Sie Glück«, sagte Dorian. »Dieses Land hier ist viel angenehmer als die kahle Wüste, in der Eugenie vorzugsweise ihre Zeit verbringt.«
Roland sah sich um, nahm das üppige Grün in sich auf, die warme Brise und die zwitschernden Vögel. »Ich weiß nicht«, sagte er. »Ich glaube, das andere hat mir besser gefallen. Das hier ist irgendwie langweilig.«
»Typisch«, spottete Dorian. »Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.«
Roland hätte es in einer so gemischten Gesellschaft nie zugegeben, aber ich wusste, dass ihm diese Bemerkung gefiel. Wenn ich mich nicht dermaßen in die Geschicke der Anderswelt verstrickt hätte, wie ich es nun einmal hatte, dann hätte Roland mein biologisches Erbe bereitwillig für alle Zeiten ignoriert. Das Blut und die Prophezeiung des Sturmkönigs bedeuteten ihm nichts. Ich war als Rolands Tochter aufgewachsen, und soweit es ihn betraf, hatte sich daran nichts geändert.
Wir drei setzten uns in einen kleinen Salon, dessen Gestaltung noch den Geschmack seiner früheren Besitzerin widerspiegelte, mit haufenweise Zierdeckchen und Paisleymustern. In geschlossenen Räumen ›eingesperrt‹ zu sein, machte Roland nervös, und er ruckelte unbehaglich herum, saß buchstäblich auf der Kante seines löwenfüßigen Samtsessels. Rasch erklärte ich ihm, was in Ohio passiert war. Während er zuhörte, verfinsterte sich seine Miene, und seine ganze Nervosität darüber, dass er hier in einem Gemäuer der Anderswelt hockte, verblasste.
»Verdammt«, fluchte er. »Und ich hab ein richtig gutes Gefühl mit Ohio gehabt. Wie haben sie dich aufgespürt? Sie können doch unmöglich in jedem Teil unserer Welt Spitzel haben.«
»Sie sind jedenfalls ziemlich gut darin, in dieser Welt überall Spitzel zu haben«, stellte ich fest. »Wir wissen, dass sie meine Bewegungen verfolgen, indem sie regelmäßig die Grenzen meiner Reiche überwachen – und die von Dorians Reich auch. Ich bin nur normalerweise zu gut bewacht, als dass sie etwas unternehmen könnten. Meine Vermutung ist, dass mir jemand zu dem Tor gefolgt ist, das nach Hudson führt, und dann brauchten sie die Stadt nur noch zu überwachen, bis sie meine Bewegungsmuster raushatten.« Es ärgerte mich immer noch, dass Maiwenns und Kiyos Spitzel das schon eine ganze Weile durchgezogen haben mussten und ich sie nie bemerkt hatte.
»Dann müssen wir eben einen anderen Arzt ausfindig machen«, sagte Roland. Ich konnte richtig sehen, wie sich in seinem Kopf die Räder drehten, als er überlegte, welche Orte infrage kamen und was er über ihre Verbindung zur Anderswelt wusste.
»Nun, das wäre noch zu überlegen«, mischte sich Dorian ein. »Diese Menschenärzte erzählen ihr in einem fort, dass alles gut steht und ihr nichts fehlt. Warum muss sie dann immer wieder dorthin?«
»Um sicherzustellen, dass ihr auch weiterhin nichts fehlt«, sagte Roland gelassen. »Nichts für ungut, aber ich überlasse sie nicht den Händen Ihrer mittelalterlichen Mediziner.«
»Ich bezweifle, dass Eugenie es zu schätzen weiß, wenn einer von uns für sie ihre Entscheidungen trifft.« Da hätte ich fast höhnisch gelacht. Dorian war berüchtigt dafür, »hilfreiche« Entscheidungen für mich zu treffen; entsprechend lächerlich war es, dass er sich jetzt als Hüter meiner Unabhängigkeit aufspielte.
»Schluss jetzt«, sagte ich. »Alle beide. Dorian liegt gar nicht so falsch – ich hatte wirklich immer gute Untersuchungsergebnisse. Trotzdem … Es fällt mir schwer, ganz von der modernen Medizin zu lassen.«
»Modern trifft es genau«, sagte Dorian abfällig.
»Jetzt fällt es leicht, klug abzuwägen«, sagte Roland. »Aber eine Geburt ist eine
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