Dark Swan: Schattenkind (German Edition)
allmählich gefrustet.
»Geduld, meine Liebe«, sagte Dorian. »Es braucht halt Übung.«
»Da würde alle Übung der Welt nicht helfen«, murrte ich und kam mir vor wie ein bockiges Kind. »Nicht, solange ich behindert bin.«
Dorian schnaubte. »Du? Wohl kaum. Dieser Hirsch hingegen, jawohl, der ist behindert. Aber ich erinnere mich, dass du vor wenigen Wochen einigen Geistern den Garaus gemacht hast. Jeder, der das mit angesehen hat, diese erbarmungswürdigen Wesen eingeschlossen, würde kaum ernstlich behaupten wollen, du wärest behindert.«
»Da war ich wirklich ganz schön hart drauf«, gab ich zu und ließ den Bogen sinken. »Ich hab bloß nicht mehr so viel Geduld mit … diesem Zustand, in dem ich bin.« Anscheinend war ›Zustand‹ auch weiterhin die beste Umschreibung für meine Schwangerschaft.
»Dieser ›Zustand‹ wird vorbei sein, bevor du es noch recht merkst.« Dorian nahm mir den Bogen ab und gab ihn einem Diener. »Und bis dahin wirst du zu mehr in der Lage sein, als du dir zutraust. Sobald deine kleinen welterobernden Wonneproppen geboren sind, werden wir dich zur besten Bogenschützin dieser Welt heranbilden.«
Seine Großspurigkeit brachte mich wieder zum Lächeln, und ich kam mir wegen meines Gejammers ein bisschen blöd vor. Mit etwas Glück konnte ich das ebenfalls auf meine Hormone schieben. Dann hatte ich einen Geistesblitz und straffte stolz die Schultern. »Ich brauche keine Ausbildung. Ich bin schon jetzt die beste Schützin der Welt. Beziehungsweise der Welten.«
Dorian zog eine Augenbraue hoch. »Ach so?«
Ich sah zu meinen herumliegenden Pfeilen und beschwor die sie umgebenden Luftströmungen. Die Luft gehorchte mir bereitwillig und hob die Pfeile vom Boden auf. Eine rasche Handbewegung, und sie schossen wie Raketen auf den Hirsch zu und bohrten sich an die Stelle, wo das Herz der armen Kreatur gewesen wäre.
»Prächtig«, lachte Dorian und klatschte in die Hände. »Du bist wirklich ein Naturtalent.«
Ich erwiderte sein Grinsen, ganz entzückt über meinen Triumph und über … na ja, das hier. Diesen kleinen Moment im Freien an diesem sonnigen Frühlingsmorgen. Diesen kleinen Moment … mit ihm. Ich sah ihm in die Augen und verlor mich für einen Moment in den Grüntönen, die in seiner Iris spielten und den Blättern Konkurrenz machten, die sanft um uns herum raschelten.
»Eugenie?«
Was immer sich sonst noch in diesem Moment hätte Bahn brechen können, hatte sich erledigt, als ich mich umdrehte und sah, wie Roland Markham mit einem Trupp Vogelbeersoldaten näher kam. Dorian war vergessen, als ich meinem Stiefvater entgegeneilte und ihn umarmte.
»Eure Majestät«, sagte einer der Soldaten. »Roland der Sturmtöter ist hier.«
»Das sehe ich«, sagte ich. Wenn es überhaupt jemanden gab, den die Feinen mit so viel Ehrfurcht ansahen wie die Frau, die mit dem Thronerben des Sturmkönigs schwanger war, dann Roland. Er hatte meine Mutter nach ihrer Entführung in die Anderswelt gerettet. Später, als der Sturmkönig sie und mich suchen kam, hatte Roland meinem biologischen Vater ein für alle Mal ein Ende gemacht. Den mächtigsten, berüchtigtsten Kriegsherrn der jüngeren Geschichte der Anderswelt getötet zu haben, brachte ihm eine Menge Respekt ein – und Misstrauen. Bloß merkte Roland das gar nicht. Die Wahrheit war, dass er nach der Rettung meiner Mutter geschworen hatte, nie wieder einen Fuß in die Anderswelt zu setzen. Nur meinetwegen und wegen der Gefahren, die mir bei einem Wechsel zwischen den Welten drohten, hatte er sich einverstanden erklärt, doch wieder hierherzukommen. Aber er war jedes Mal unglaublich nervös, und das hinderte ihn daran, die Nervosität der anderen zu bemerken.
Roland musterte mich von Kopf bis Fuß. »Du siehst gut aus«, sagte er. Er würde es sich in der Gegenwart von anderen nie anmerken lassen, aber ich wusste, dass er mich genauso auf Kratzer und Blutergüsse überprüfte wie damals, als ich zehn gewesen war. Außerdem neigte er bei seinen Besuchen in der Anderswelt dazu, alle anderen zu ignorieren und nur mit mir zu sprechen.
»Du auch«, sagte ich. Roland war grau geworden, aber immer noch schlank und muskulös, bereit, es mit allem aufzunehmen, was ihm in die Quere kam. Tätowierungen von Strudeln und Fischen verzierten seine Arme, und ihre Vertrautheit hatte etwas Tröstliches.
»Deine, äh, Kreatur sagte, dass du mit mir reden möchtest?«
»Ja.« Ich sah mich um und stellte fest, dass wir mit meinen Soldaten,
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