Dark Swan: Schattenkind (German Edition)
Dorian? Dorian war stark. Seine Bindung an sein Königreich war felsenfest; er hatte die absolute Kontrolle darüber. Wenn es überhaupt einen Monarchen gab, der sein Land auch im unwahrscheinlichsten Fall schützen konnte, dann Dorian, dicht gefolgt von Maiwenn.
»So ein Mist«, sagte ich. »Das haben sie also von mir gewollt, richtig? Dorian und Maiwenn haben neulich Volusian mit einer Botschaft zu mir geschickt, und ich habe ihn weggeschickt. Ich dachte, sie hätten irgendwas vor, aber das hatten sie gar nicht – stimmt’s? Sie wollten nur, dass ich davon erfahre.«
»Höchstwahrscheinlich. Aber davon wusste ich noch nichts. Dorian hat sich nur kürzlich mit mir in Verbindung gesetzt und wollte, dass ich hinüberkomme und es mir selbst ansehe. Dann hat er mich angefleht, dich wissen zu lassen, was sich da abspielt.«
»Dorian fleht doch niemanden an«, sagte ich leise und konnte es immer noch nicht fassen.
Roland starrte mit besorgter Miene in die Schatten. »Unter normalen Umständen hätte ich es dir gar nicht erzählt. Aber eine solche Kälte übersteht man kaum, und wer sie übersteht, hat nichts zu essen. Du kennst meine Einstellung zu den Feinen. Bloß als ich das alles mit eigenen Augen gesehen habe … das Sterben und das Leid. Na ja. Keine Ahnung, Eugenie. Ich habe nicht viel für die Feinen übrig, aber so etwas sollte niemand durchmachen müssen. Nicht mal sie.«
Ich ließ mich ins Gras sinken. Meine Lande. Meine Reiche litten … litten jetzt schon eine ganze Weile … und ich hatte es nicht gemerkt. Die Intrigen der Anderswelt konnte ich hinter mir lassen. Vielleicht konnte ich sogar meine Feinde hinter mir lassen. Aber die Lande und ich, wir gehörten zusammen. Ich trug Verantwortung für sie, und ich hatte sie im Stich gelassen.
»Ich habe keine Ahnung, was ich da unternehmen kann«, sagte ich. »Selbst wenn ich zurückgehe … Ich meine, wenn Dorian und Maiwenn nichts ausrichten konnten, dann kriege ich es vielleicht auch nicht hin.«
»Sie erwähnten irgendwas von wegen Kräfte vereinen, um den Zauber zu brechen … Ich habe das aber wirklich nicht weiter verfolgt.« Rolands Tonfall legte nahe, dass er zwar vielleicht Mitleid mit den Feinen hatte, aber von ihrer Magie trotzdem nichts hielt. »Dorian hat auch eine gewisse Vorstellung, wer hinter dem Ganzen stecken könnte.«
Natürlich hatte er die. Seine magischen Anstrengungen mochten sich als wirkungslos erweisen, aber deshalb drehte er noch lange nicht Däumchen. Er würde versuchen, dieses Rätsel aufzuklären. Meine Kenntnis der Lage war begrenzt, aber ich versuchte mir vorzustellen, in welche Richtung seine Gedanken wohl gingen. Mir fiel wieder ein, dass Roland gesagt hatte, einige entferntere Königreiche wären nicht betroffen.
»Welche Länder sind denn von der Plage verschont geblieben?«, fragte ich. »Du meintest doch, einigen geht es gut.«
»Unter anderem das Eibenland«, sagte Roland und guckte verblüfft, als ich aufsprang. »Das ist das, von dem Dorian denkt – «
»– dass es dahinterstecken könnte?«, riet ich.
»Woher wusstest du das?«
»Weil ich, auch wenn ich es nur ungern zugebe, weiß, wie Dorian denkt. Wenn einige Gegenden betroffen sind und andere nicht, dann würde ich mir auch diejenigen anschauen, die nicht betroffen sind.«
»Das hat Dorian auch gesagt.« Roland wirkte wenig erfreut, dass ich wie Dorian denken konnte, und ich konnte sein Missfallen absolut verstehen. »Aber das ist noch nicht alles. Anscheinend verdienen sie dort kräftig mit Lebensmitteln. Ihr Land und wohl auch ihre … was, Satellitenstaaten? … können weiterhin Nahrungsmittel anbauen und herstellen, und sie haben keine Skrupel, es den betroffenen Ländern zu sehr gepfefferten Preisen zu verkaufen.«
Ich war fassungslos. »Das ist ja entsetzlich.«
Roland zuckte mit den Schultern. »Einige Monarchen zahlen eben lieber, als dass sie ihr Volk leiden sehen. Und das ist immer noch besser als die Alternative … «
Sein Tonfall ließ mich ruckartig aufsehen. »Welche Alternative?«
»Stehlen.«
»Vom Eibenland?« Ich konnte Diebstahl in keiner Weise gutheißen, war aber überrascht, dass Roland sich Gedanken machte, wenn die einen Feinen den anderen etwas klauten.
»Nein«, sagte er. »Den Menschen. Ein paar Feine haben in unserer Welt Lebensmittelläden und Supermärkte geplündert.«
Mir fiel die Kinnlade herunter und keine Antwort ein. Ich wusste es besser, als schon wieder »Das kann nicht sein« zu sagen, aber es war
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