Dark Swan: Schattenkind (German Edition)
beiseiteschieben konnte.
Gleichzeitig war ich mir bewusst, dass Kiyo und ich uns einmal sehr nahegestanden hatten. Zwischen uns hatte es eine tiefe Verbindung gegeben. Ich hatte ihn geliebt. Aber ich hatte mit diesen Gefühlen inzwischen auch abgeschlossen, und sie würden mich keinen Moment lang zögern lassen, falls er mich noch einmal attackierte. Bloß ging mir nicht aus dem Kopf, dass der eigentliche Grund für unseren Konflikt darin lag, dass Kiyo der Vater meiner Kinder war. Sie waren ein Wunder für mich, das Aufregendste beider Welten. Aber sie waren zur Hälfte seine Kinder. Was bedeutete das? War etwas Gutes in ihm? Etwas Böses in ihnen?
Weder noch, Eugenie , wurde mir klar. Niemand ist eine Kopie seiner Eltern. Jedes Individuum ist eine eigenständige Persönlichkeit, ganz egal, von wem er oder sie abstammt. Jasmine und ich bewiesen das. Kiyo stellte in keiner Weise eine Vorlage dafür dar, wie Isaac und Ivy waren oder werden würden.
»Nun schau doch nicht so finster«, bemerkte Dorian und lenkte sein Pferd neben mich. »Was geschehen ist, ist geschehen.«
Ich fixierte ihn mit dem eben beschriebenen Blick. »Tja, schön, wäre halt nett gewesen, du hättest mich vorgewarnt. Aber nein. Wie immer hast du Informationen zurückgehalten und beschlossen, die Fäden zu ziehen, ohne dich vorher mit jemandem abzustimmen.«
»Es war anmaßend, gewiss.« Für Dorian war das ein riesiges Zugeständnis. »Aber ich wusste, dass es dir so oder so nicht gefallen würde. Hättest du es vorher gewusst, hättest du schlicht mehr Zeit gehabt, Streitigkeiten zu forcieren. Wie die Dinge liegen, hat er sich uns angeschlossen und ist jetzt weit vorn und erkundet hilfreicherweise in seiner behaarten, müffelnden Gestalt die Lage. Also in seiner Fuchsgestalt, meine ich. Das muss man ja dazu sagen.«
Ich schüttelte den Kopf und konnte über seine lässige Haltung nur staunen. »Und du glaubst ernsthaft, damit wäre das abgehakt? Alles ist vergeben und vergessen, und er findet es jetzt auf einmal ganz schick, dass ich die Enkel des Sturmkönigs großziehen werde, weil wir ja alle in einem Superteam vereint sind? Das ist naiv.«
Da wurde Dorians Miene hart. »Ebenso naiv ist es, zu glauben, dass ich ihm leichtfertig die Möglichkeit geben würde, dir oder deinen Kindern etwas anzutun. Wie oft muss ich dir noch versichern, dass ich dich beschütze? Glaubst du ernsthaft, dass ich einfach danebenstehen werde, wenn er versuchen sollte, euch auch nur ein Haar zu krümmen? Eugenie, wenn er dich auch nur schief ansieht, werden Rurik und seine Verschwörer dort drüben keine Gelegenheit zum Handeln haben, weil ich dieses Kitsune-Halbblut dann längst selbst durchbohrt habe.« Zu meinem Erstaunen wurde Dorians Ton gleich wieder ruhig und entspannt. »Wie dem auch sei. Ich frage mich, wo wir heute unser Nachtlager aufschlagen werden.«
Er ritt zu den Soldaten hinüber, um mit ihnen zu plaudern. Ich blieb in verblüfftem Schweigen zurück.
Den Großteil des restlichen Tages über saßen wir im Sattel, was mir reichlich Gelegenheit gab, über Dorian und Kiyo nachzudenken, die mir beide aus total unterschiedlichen Gründen Kopfschmerzen bereiteten. Obwohl ich so eingepackt war, spürte ich die Kälte immer mehr, besonders als die Sonne unterging. Die Pferde stapften unerschütterlich voran, aber wir wussten alle, dass sie nicht so lange durchhalten würden wie normalerweise, unter wärmeren, angenehmeren Bedingungen.
Volusian kehrte zurück und berichtete mir, dass Kiyo nichts anderes getan hatte, als wie versprochen die Straße auszukundschaften. Außerdem betonte mein Hilfsgeist, dass Kiyos Beobachtung die langweiligste Tätigkeit aller Zeiten gewesen war und eine Verschwendung seiner mächtigen Fähigkeiten darstellte. Wenig später kam auch Kiyo wieder angetrottet und verwandelte sich in seine Menschengestalt zurück, als unser Trupp anhielt. Er deutete über seine Schulter nach hinten.
»Zwei weitere Länderwechsel voraus. Es müssten das Ulmen- und das Palmenland sein, aber das ist hier draußen schwer zu sagen.«
Ulme und Palme. Beides keine Länder in meiner »Gegend«. Tatsächlich waren wir schon seit ein paar Stunden durch keine bekannten Königreiche mehr gekommen. Von diesen beiden Ländern hatte ich immerhin gehört – sie gehörten nicht zu Varias Verbündeten – , aber es führte mir deutlich vor Augen, dass wir weitab von unseren üblichen Wegen unterwegs waren.
»Gleich hinter der zweiten Grenze kommt ein
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