Dark Swan: Schattenkind (German Edition)
hatte, deutete zu einigen Hütten, während er mit Rurik redete. Derselbe Mann warf auch immer wieder einen misstrauischen Blick auf unsere Waffen.
»Er verlangt für die Unterkunft wahrscheinlich etwas zu essen«, sagte Pagiel. »Und weiß aber zugleich, dass er nichts ausrichten kann, wenn wir seine Forderungen nicht erfüllen.«
»Ich wünschte, wir hätten etwas zu essen für sie«, sagte ich. Ein paar Kinder schauten uns aus den Hütten heraus an, und ihr Anblick brach mir das Herz. Ich musste an Isaac und Ivy denken und wie es wäre, wenn sie auch unter solchen Bedingungen leiden würden. »Ich könnte meine Rationen kürzen.«
»Ich würde dich dazu ermuntern«, sagte Dorian nicht unfreundlich. »Das heißt, wenn ich genau wüsste, wie lange unsere Reise noch dauert. Wir haben ja nur geschätzt, wie viele Tagesrationen wir mitnehmen müssen. Wenn unsere Einschätzung stimmt, wäre es nicht schlimm, wenn du ein, zwei Tage von gekürzten Rationen leben müsstest. Aber es kann ebenso gut sein, dass wir zwei Wochen lang nicht genug zu essen haben. Wir dürfen kein Risiko eingehen – nicht wenn wir die Chance haben, der Plage ein Ende zu machen.«
Ich nickte. Ich wusste, dass er recht hatte, aber davon ging das schlechte Gefühl auch nicht weg.
Rurik kam zurück und machte ein verwirrtes Gesicht. »Sie sagen, wir können in ein paar Hütten übernachten, die sie haben. Sie stehen leer.« Er brauchte nicht auf den bitteren Grund hinzuweisen, warum es so viel freien Wohnraum gab.
»Was wollen sie im Gegenzug dafür?«, fragte Kiyo.
»Das ist ja das Merkwürdige«, sagte Rurik. »Sie haben um nichts gebeten – wir sollen sie nur beschützen, solange wir hier sind.«
Ich zog eine Augenbraue hoch. »Und wovor genau sollen wir sie beschützen?«
»Nun, da haben sie sich nicht allzu klar ausgedrückt. Im Wesentlichen haben sie nur gesagt, vor dem ›Sturm‹«, antwortete Rurik. Das ließ uns natürlich alle in den Himmel schauen. Oben zeigte sich nichts, was wir nicht schon kannten, und meine Sinne bekamen auch nichts von einem herannahenden Schneesturm mit. Angesichts der Natur der Plage war es schwer zu sagen, was passieren würde. »Ich habe einfach Ja dazu gesagt.« Rurik sah uns fragend an.
»Richtig so«, versicherte ich ihm. Ich stieg vom Pferd und war wenig überrascht, wie steif und wund sich mein Körper anfühlte. Ich wusste, dass ich mich in ein paar Tagen wieder ans Reiten gewöhnt haben würde, aber es würden lange Tage werden. »Dann wollen wir uns unsere Unterkünfte mal ansehen.«
Es gab mehr als genug Hütten. Wir hätten jeder eine eigene nehmen können, aber Jasmine versicherte schnell, dass wir uns eine teilen würden. Ich glaube wirklich, sie wollte mich, da Kiyo mit dabei war, nicht allein lassen. Die Hütten schienen nur so klein, denn als wir unsere betraten, zeigte sich, dass sie einmal eine Familie beherbergt hatte. Es gab jede Menge Platz und sogar Trennwände, mit denen sich Gemeinschafts- und Schlafräume abteilen ließen. Wir hatten saubere Feldbetten und einen Esstisch, und glücklicherweise waren nirgendwo persönliche Gegenstände der verschwundenen Familie zu sehen. Die Wände und das Dach reichten aus, um Windböen oder Tropenregen abzuhalten, aber von Wärmeisolierung konnte keine Rede sein. Eine Feuerstelle, die eigentlich zum Kochen gedacht war, stellte unsere einzige Heizmöglichkeit dar.
Wir waren da höchstens eine Minute lang drin, als eine junge Frau hereingeschlüpft kam. Sie schien nicht älter zu sein als Jasmine, aber das harte Leben hatte sie gezeichnet. Sie ging vor der Kochstelle in die Hocke und machte flink Feuer.
»Ach«, sagte ich, »diese Mühe brauchst du dir nicht zu machen. Wir wissen, wie man ein Feuer macht.« Ohne diese Fertigkeit kam man in einer Welt, in der es weder Feuerzeuge noch Grillanzünder gab, gar nicht aus.
»Es ist keine Mühe, Mylady«, erwiderte das Mädchen, ohne mich anzusehen.
»Eugenie. Ich heiße Eugenie.«
»Ich weiß, wer Ihr seid, Mylady.«
Das Feuer erwachte prasselnd zum Leben und loderte so rasch auf, dass unsere Helferin wohl über eine Art Feuermagie verfügen musste. Definitiv eine Fähigkeit, die man in diesen Zeiten gebrauchen konnte.
»Wie heißt du?«, fragte ich.
»Rhona«, sagte sie und stand auf. Jetzt, wo sie mich anschaute, konnte ich sie besser sehen und bekam einen Eindruck davon, wie schwer ihr die Plage zugesetzt hatte. Ihre Wangen waren eingefallen, und sie hatte dicke Tränensäcke unter den
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