DARK TRIUMPH - Die Tochter des Verräters
Ich lasse nervös den Blick über die Gruppe wandern, auf der Suche nach der dünnen, schlaksigen Gestalt von Winnog. Stattdessen finde ich Lazare. Als unsere Blicke sich treffen, schüttelt er knapp den Kopf. Winnog wird nicht zurückkehren, und Lazares Gesicht ist gepeinigt von der unerbetenen Verantwortung, die ich auf seine Schultern gelegt habe. Es war unfair von mir, denn wer sind wir, dass wir den Tod aufhalten wollen? Selbst ich, eine Seiner Töchter, konnte nur einen der drei Männer in meiner Gruppe retten.
Trotz unseres Sieges herrscht in dieser Nacht eine düstere Stimmung im Lager, denn der Sieg hatte einen hohen Preis. Neben Winnog und de Brosse haben wir Sir Lorril verloren, sechs Soldaten und sieben Köhler. De Brosse und Lorril werden zu ihren Familiensitzen gebracht werden, um in ihren Krypten begraben zu werden. Die sechs Soldaten wird man morgen früh gleich als Erstes verbrennen und jetzt liegen sie sorgfältig abgedeckt im Schutz der Bäume.
Es ist jedoch Winnogs Tod, der uns am meisten trifft – der unbeholfene, schlaksige Junge war immer fröhlich, blind gegen jede Böswilligkeit und stets zu einem Scherz aufgelegt. Aber die Köhler begraben ihre Toten nicht. In Übereinstimmung mit ihren Sitten bieten sie die Leichen der Dunklen Mutter dar. Sie wählen eine Lichtung fernab der Bäume, unter denen wir lagern, dicht bei einer uralten Steinstele, und beginnen einen Scheiterhaufen zu errichten – mit der gleichen Sorgfalt und Präzision, mit der sie auch ihre Kohlenmeiler bauen. Wie durch eine stumme Übereinkunft erheben sich die Soldaten und Landsknechte einer nach dem anderen von ihren Plätzen, um sich den Köhlern anzuschließen und ihre Toten zu ehren. Erwan hält die Fackel an das Holz, und das Feuer knistert und zischt, als es durch das trockene Zündholz und die Zweige rauscht.
Binnen Sekunden ist der ganze Scheiterhaufen umschlungen von Flammen aus Rot und Gold, die an den Leichen der Männer züngeln. Es ist ein besonders heißes Feuer. Ich weiß nicht, ob es ein Trick der Köhler ist oder lediglich an der Größe des Feuers liegt, die ein Scheiterhaufen ergibt. Die Hitze ist so intensiv, dass wir alle zurücktreten müssen oder Gefahr laufen, selbst geröstet zu werden. Dicker, schwarzer Qualm wogt in den Nachthimmel empor und trägt die Seelen der Köhler zur Dunklen Mutter.
Als schließlich nichts mehr von dem Feuer übrig ist als schwelende Asche und Glut, kehren wir ins Lager zurück. Die Männer finden sich nicht wieder zu den üblichen Grüppchen zusammen, sondern bleiben beieinander und unterhalten sich mit leisen Stimmen. Der Tod hat die Kameradschaft gebracht, die das Leben nicht zu erschaffen vermochte. Ich kann nicht umhin zu denken, dass Winnog sich darüber gefreut hätte. Selbst der Arroganteste von ihnen, Sir Gaultier, lauscht aufmerksam auf etwas, das Erwan sagt. Es ist so, wie die Bestie es ihnen versprochen hat. Oder vielleicht war es das Versprechen ihrer Dunklen Mutter – aus der Asche der Verzweiflung haben sie Vergebung und Akzeptanz gefunden.
Wenn sie das können, kann ich es vielleicht auch.
Ich finde meinen Ritter abseits von den anderen; er steht da und beobachtet die schwelende Glut des Scheiterhaufens. Er ist immer noch verdreckt, voller Schmutz und Ruß und Blut, und seine Augen sind müde und gerötet. Ich winde mich jetzt vor Scham bei dem Gedanken daran, dass ich ihn gefragt habe, wie er es ertragen könne, Männer in den Tod zu schicken, denn es lastet offensichtlich schwer auf ihm.
Beim Klang meiner Schritte schaut er auf.
»Was ist unser nächstes Ziel?«, frage ich und tue so, als hätten wir nicht vor Kurzem erst einen Kuss geteilt.
»Guingamp. Eine französische Garnison hält die Stadt, und im Gefolge dieses Sieges, denke ich, können wir einen Aufstand anzetteln, um die Stadt zurückzuerobern. Aber wir werden ein oder zwei Tage rasten, damit wir all unsere Toten begraben können. Auf diese Weise vergeht auch genug Zeit, dass die Gerüchte über unseren Sieg hier die Stadt erreichen.«
»Wäret Ihr bereit, morgen mit mir auszureiten?« Ich hole tief Luft und falte die Hände, um ihr Zittern zu verbergen. Ich habe so lange gebraucht, um mir sicher zu sein, dass dieses letzte meiner Geheimnisse eines ist, das er bedingungslos akzeptieren kann. »Ich habe ein letztes Geheimnis, das ich mit Euch teilen muss. Und es ist eines, das ihr sehen müsst.«
Zweiundvierzig
S OSEHR ICH MICH DARAUF freue, das letzte der Geheimnisse, die ich vor
Weitere Kostenlose Bücher