DARK TRIUMPH - Die Tochter des Verräters
aufgehalten? Oder ihr geholfen? Bei Euch kann man das nie mit Gewissheit sagen.«
Julians Augen sind kälter als Eis auf einem Stein. »Seid Ihr Euch dessen so sicher, de Lur? Was ist, wenn mein Vater mir mehr als allen anderen vertraut hat und wir dieses Spiel geplant haben, um sie heranzulocken?«
Ich reiße den Kopf herum und starre Julian ins Gesicht, aber nicht einmal ich kann erkennen, welches Spiel er spielt. De Lur ignoriert ihn und wendet sich mir zu. »Euer gnädiger Herr Vater wusste genau, welchen Köder er benutzen musste, um die Falle zu stellen, und jetzt seid Ihr hier. Bedauerlicherweise habt Ihr einen ungünstigen Zeitpunkt für Eure Rückkehr gewählt, da Graf d’Albret im Moment andernorts dringende Angelegenheiten zu erledigen hat.«
Ich ziehe ungläubig eine Augenbraue hoch und hoffe, dass meine Geringschätzung ihn anstacheln wird, mir zu verraten, was d’Albret tut. »Dringendere Angelegenheiten, als Rache an seiner verlorenen Tochter zu üben?«
»Dringender als das, allerdings.«
Mein Verstand arbeitet auf Hochtouren, und ich versuche, einen Weg zu finden, dies zu meinem Vorteil zu wenden. »Dann bringt mich zu Marschall Rieux.« Denn der hat zumindest einen kleinen Funken Anstand im Leibe. Oder zumindest hatte er ihn.
De Lur lächelt. »Der gute Marschall ist nicht länger bei uns. Er hatte nicht die Konstitution für das, was vonnöten war.«
Ich weiß nicht, ob er meint, dass sie sich getrennt haben oder dass Rieux tot ist.
»Ihr werdet Euch bis zur Rückkehr Eures Vaters mit der Gastfreundschaft des Burgkerkers begnügen müssen.« Er dreht sich zu seinen Männern um. »Bringt sie hin.«
Zwei Bewaffnete treten vor, um mich an den Armen zu packen. Verzweifelt darauf bedacht, meine Messer zu behalten, reiße ich die Arme aus ihrer Reichweite, bevor sie mich berühren können. »Ihr braucht mich nicht hinter Euch herzuschleifen wie einen Sack Weizenmehl.«
De Lur lächelt, dann befingert er die schwache, weiße Narbe an seiner Wange. »Oh doch, gnädiges Fräulein.«
Mir gefällt nicht, was ich in seinen Augen sehe, und ich werfe Julian einen verzweifelten Blick zu, aber er ist verloren in seinen eigenen Gedanken, schmerzhaften Gedanken, seinem Gesichtsausdruck nach zu schließen. Die Männer greifen erneut nach mir, und diesmal packen sie meine Arme und fühlen die Messer an meinen Handgelenken. De Lur befiehlt ihnen, sie mir abzunehmen, dann durchsucht er mich auf andere Waffen.
Einmal mehr muss ich seine Berührung ertragen, muss seinen heißen Atem im Nacken spüren, muss mir anhören, wie seine Atmung schwerer wird. Ich sage nichts, ich beobachte ihn nur. Ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn in einem Kampf bezwingen könnte, aber es wäre zumindest knapp, und ich würde ihm auf jeden Fall ernste Verletzungen zufügen. Vermutlich würden er oder seine Männer mich in Selbstverteidigung töten müssen. Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich bereit bin, gerade jetzt den Tod willkommen zu heißen. Nicht solange noch eine Chance besteht, an d’Albret heranzukommen.
Während sie mich zum Kerker schaffen – eben dem Kerker, in dem noch vor kurzer Zeit die Bestie gelegen hat –, beginnt mein Herz zu hämmern wie eine Trommel, und ich kann mein Blut in den Ohren pochen hören, denn dies ist der Stoff sämtlicher Albträume, die ich jemals hatte – wieder hilflos zu sein und d’Albret ausgeliefert.
Neunundvierzig
E S WIRD EINE LANGE , dunkle Nacht. Panik und Grauen tun ihr Bestes, sich an mich heranzupirschen, aber ich halte sie in Schach, denn ich weiß, wenn ich ihnen erliege, werde ich nur umso schwächer sein. Zermürbung ist ebenso eine von d’Albrets Waffen wie sein Schwert oder seine Fäuste, und er setzt sie mit tödlicher Genauigkeit ein, benutzt sie, um den Willen zu brechen und den Verstand zu trüben.
Die Turmgeister flattern in meiner Nähe, angezogen von meiner Wärme. Um mich abzulenken, zwinge ich meinen Verstand, ganz still zu sein, neugierig, ob diese Geister mir ihre Geschichten erzählen werden.
Aber da ist nichts anderes als ein schwaches, rastloses Gesäusel, keine Rufe der Qual, kein Flehen um Rache, keine gewisperten Geschichten von dem Grauen, das ihnen zugefügt wurde. Diese Geister sind sehr alt und waren lange vor d’Albret hier. Vielleicht wurde ihnen im Tod kein Unrecht zugefügt, sondern sie sind einfach gestorben.
Stilles Verständnis kommt wie eine sanfte Brise, und ich begreife endlich, warum ich in der Lage bin, nicht nur die Seelen zu
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