DARK TRIUMPH - Die Tochter des Verräters
seinen Augen auf. »Ihr wäret niemals dazu auserwählt worden, die Herzogin zu beschützen, wenn sie gewusst hätten, wie schwach Ihr in Wahrheit seid«, flüstere ich ihm ins Ohr.
Und dann geschieht es: Wie eine gewaltige Welle, die vom Ozeanboden heraufrollt, hievt sich der Ritter auf die Füße. Er taumelt einen Moment, findet sein Gleichgewicht wieder, stößt dann ein mächtiges Brüllen aus und stürzt in meine Richtung.
Ich husche geschickt aus seiner Reichweite. Sobald ich seine Seite verlasse, kippt er beinahe aufs Gesicht, aber der kleine Gnom von einem Wärter klemmt sich unter den Arm des Ritters und verhindert, dass er stürzt.
Zornig und verwirrt wie ein Bulle auf einem Feld schwingt der Gefangene den Kopf von einem von uns zum anderen, nicht sicher, wen er als Erstes angreifen soll. »Kommt«, sage ich, bevor er wieder bei klarem Verstand ist. »Zur Herzogin geht es hier entlang. Wenn wir uns beeilen, können wir sie rechtzeitig erreichen.« Und es ist nicht einmal eine Lüge, die ich ihm auftische.
Die Worte wirken wie eine Lanze in seinem Rücken. Er macht einen Schritt vorwärts, dann ächzt er, und sein Gesicht wird bleich vor Schmerz. Als sein Bein unter ihm nachgibt, begreife ich, dass ich keine andere Wahl habe, als ihm erneut zu helfen und zu hoffen, dass er mich nicht auf der Stelle töten wird. Ich springe ihm zur Seite und schiebe mich unter seinen Arm, um ihn zu stützen. Aber er ist riesig und wiegt so viel wie zwanzig Wackersteine und zieht mich fast mit sich zu Boden. Ich spanne die Knie und die Rückenmuskeln an, und mit vereinten Kräften gelingt es mir und dem Wärter, ihn aufrecht zu halten. Als er gegen uns sackt, weiß ich, dass wir ihn nicht den ganzen Weg tragen können, es ist, als sei aller Kampfesmut von ihm gewichen. Schon jetzt werden meine Schultern und Arme taub von seinem Gewicht. Wir werden hier sterben wie Ratten in einer Falle, wenn wir ihn nicht dazu bringen können, sich zu bewegen.
Angst und Zorn verleihen meiner Stimme Dringlichkeit. »Wollt Ihr wirklich zulassen, dass Eure Herzogin gefangen genommen wird, während Ihr Eure trägen Knochen und Euren dicken Kopf ausruht? Bewegt Euch!«
Mit einem kehligen Knurren taumelt der Mann vorwärts, einen großen, schlurfenden Schritt, der uns fast bis an die Tür bringt. Ich reiße die einsame Fackel mit der freien Hand von der Wand und bete, dass ich nicht mich selbst – oder den Gefangenen – in Brand stecken werde. Aber wir brauchen die Fackel, da die Treppe in pechschwarzer Dunkelheit liegt und wir es auf keinen Fall schaffen können, ihn allein aufgrund unseres Tastsinns nach oben zu bringen. In der Tat, als wir auf der ersten Stufe innehalten, ist nicht klar, ob wir ihn überhaupt nach oben bringen können.
Der Gnom murmelt und ächzt und bedeutet mir voranzugehen. Als ich mich um die beiden herumbewege und die Fackel so halte, dass sie sehen können, wohin sie ihre Füße setzen müssen, erkenne ich, dass der Wärter sich unter den Arm der Bestie geschoben hat, eine menschliche Krücke, auf die der Gefangene sich stützen kann. Sein rechtes Bein ist stark, und er kann mit ihm die Treppe hinaufgehen, sein linker Arm dagegen hängt schlaff und nutzlos an seiner Seite. Er stützt sich mit dem rechten Arm an der Wand ab und hüpft auf die nächste Stufe, und das Gewicht, das sein Arm nicht austarieren kann, wird von dem Wärter aufgefangen. Der Gefangene verzieht das Gesicht vor Schmerz, und ich bete, dass er nicht ohnmächtig wird, bevor wir den Karren erreichen.
»Beeilt Euch«, flüstere ich drängend. »Sie sind in eben diesem Moment dabei, sie zu umzingeln.« Die Pein, seine Herzogin nicht erreichen zu können, steht ihm deutlich ins Gesicht geschrieben, und mein Herz schmerzt um seinetwillen, aber ich verhärte es. Weichheit wird jetzt keinem von uns helfen.
Er hält inne, Schweißperlen auf dem Gesicht, während seine Lungen pumpen wie der Blasebalg eines Schmieds.
Nur noch vier weitere Stufen. »Wie werdet Ihr sie töten«, rufe ich leise, »diese Männer, die Eure Herzogin bedroht haben?« Er stürzt einen weiteren Schritt vorwärts. »Mit bloßen Händen, würde ich vorschlagen, damit Ihr in ihre hervorquellenden Augen schauen könnt, während Ihr ihnen die Luft aus den Lungen treibt.« Unter dem Arm des Riesen blinzelt der kleine Wärter entsetzt zu mir empor, aber das kümmert mich nicht, denn wir haben einen weiteren Schritt geschafft, und ich kann die kühle Nachtluft im Rücken spüren.
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