DARK TRIUMPH - Die Tochter des Verräters
nach wie vor auf der Hut. Als er sich nach einer Weile immer noch nicht bewegt hat, stoße ich ihn mit meiner Stiefelspitze an. Nichts.
Als hinter mir ein Geräusch erklingt, wirbele ich herum, den Dolch in der Hand. Aber es ist nur der Gnom, der dort steht und mich beobachtet. Ich kneife die Augen zusammen. »Ist er tot?«
Ein nachdrückliches Kopfschütteln, dann legt der Mann sich die Hände an die Wange, als schlafe er. Ah, denke ich. »Kann er gehen?«, frage ich scharf.
Der Alte zögert, dann streckt er die Hand aus und wackelt damit hin und her. Ein wenig. Vielleicht. Mutlosigkeit steigt in mir auf. Auf keinen Fall kann ich ihn wegschleifen. Merde. Wie soll ich jemals eine Botschaft an die Herzogin senden?
Ich knie mich neben den Ritter, damit ich sehen kann, wie verletzt er ist. Eine große Schnittwunde zieht sich über die linke Seite seines Gesichts. Ich vermute, kann mir aber nicht sicher sein, dass es eine alte Narbe ist, keine frische. Der Rest seines Gesichts ist zerschlagen und noch immer klebt verkrustetes Blut an manchen Stellen. Es hat außerdem eine seltsame gelbgrünliche Farbe. Zuerst fürchte ich, dass es eitriges Fleisch ist, dann begreife ich, dass sein ganzes Gesicht eine einzige riesige Prellung ist. Eine gewaltige Wunde eitert in seinem linken Bein und weitere zwei finden sich in seinem linken Arm. Ich hole tief Luft, dann lege ich ihm eine Hand auf die Schulter. »Psst! Wacht auf. Wir müssen gehen.«
Er regt sich, dann stöhnt er, aber das ist alles. Mit einer gemurmelten Abfolge von Flüchen strecke ich die Hand aus und versuche es abermals, und diesmal umfasse ich seinen Arm mit festem Griff und ziehe daran. »Komm schon, du großer Ochse. Ich kann dich nicht hier heraustragen.«
Sein gewaltiger Kopf rollt zur Seite, dann hebt er ihn einige Zentimeter vom Boden hoch. Die Augen öffnen sich und blinzeln in meine Richtung. Ich kann nicht erkennen, ob seine Sicht getrübt ist von seiner Kopfverletzung oder ob er mich überhaupt nicht sehen kann. Ich schaue über meine Schulter zu dem Wärter hin, der kein Wärter ist. »Komm hier herüber und hilf mir.«
Er huscht herbei, hüpft auf die andere Seite des Ritters und packt den zweiten Arm. Unter großem Ächzen und Fluchen schaffen wir es, den Gefangenen in eine sitzende Position aufzurichten, aber das ist alles. Verzweiflung kriecht in mir hoch, eisiger als die Berührung der Geister, die in der Nähe schweben. Die Verletzungen des Mannes sind entzündet und er ist fiebrig. Falls ich es schaffe, ihn hier herauszubringen, bin ich mir nicht sicher – ganz und gar nicht sicher –, ob er auf dem Weg nach Rennes nicht an Wundbrand sterben wird. Trotzdem, ich muss es versuchen. Ich nicke dem Gnom zu, und wir beide stehen auf und bemühen uns, den Gefangenen mit uns hochzuziehen, aber es hat keinen Sinn. Wir könnten geradeso gut versuchen, den Kerker selbst zu bewegen.
Ich weine beinahe vor Enttäuschung. Wenn ich mir sicher sein könnte, dass es mir gelingen wird, d’Albret heute Nacht zu töten, könnte ich den Gefangenen einfach von seinem Elend erlösen, aber ich bin mir nicht sicher. D’Albret ist unheimlich in seinem Überlebensinstinkt, und falls ich scheitere, muss irgendjemand die Herzogin von seinen Plänen in Kenntnis setzen.
Außerdem, welche Art von grausamem Gott raubt einem Mann einen glorreichen Tod auf dem Schlachtfeld und lässt ihn in einem Kerker verrotten – oder Schlimmeres? Wenn ich die Augen schließe, kann ich ihn noch immer auf seinem prächtigen Pferd sitzen sehen, bevor sie ihn niedergestreckt haben; wie tapfer er gekämpft hat, ohne eine Sekunde innezuhalten, nicht einmal, als die Zahl seiner Gegner überwältigend war.
Das ist es! Ich muss einen Weg finden, seine Kampfeslust anzufachen. Genau das, was ihn auf dem Schlachtfeld zu solch unglaublichen Leistungen antreibt, ist das Einzige, was ihn hier herausbringen wird.
Ich schaue zu dem Wärter hinüber, nicke ihm beruhigend zu und wende mich dann wieder an den verletzten Mann. »Steht auf«, zische ich. »Die Herzogin ist in Gefahr.« Sein Kopf fährt hoch. »Wenn Ihr nicht sofort aufsteht, werden sie sie binnen Minuten erreichen. Los, hoch!« Ich ziehe an seinem Arm und er knurrt. »Wollt Ihr Euch hier auf dem Boden zusammenkauern wie ein wimmernder Säugling, während Eure Herzogin in Gefahr ist?«
Der Wärter sieht mich entsetzt an und schüttelt den Kopf, denn die Bestie erhebt sich in unserem Ritter. Blut steigt ihm zu Kopf und Feuer lodert in
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