Dark Village 02 - Dreht euch nicht um
Abend zuvor, gefühlvoller. Zärtlicher. Die intensive Nähe war noch da, das Verlangen auch, es brodelte in ihnen. Aber sie spürten, dass sie nicht so weit gehen mussten, nicht jetzt, denn dieser Abend war nicht der richtige, und sie wussten beide, dass sich andere Gelegenheiten bieten würden, gute Gelegenheiten, und dass sie es sowieso tun würden – sehr, sehr bald. Das be freite sie von der schlimmsten Nervosität.
Es war ein gutes Gefühl zu wissen, dass es an diesem Abend nicht passieren musste. Eine Sache weniger, die zu bedenken war, eine Riesensache weniger!
Nora sah auf die Uhr, als sie auseinandergingen. Fast halb elf. Die kleine Eline war doch bestimmt schon im Bett. Wie konnte Nick ihr um diese Zeit noch helfen? Aber sie fragte nicht da nach. Der Abend war fantastisch gewesen, auch wenn er etwas zäh begonnen hatte. Sie wollte nicht riskieren, das alles mit mehr Fragen zu zerstören.
Niemand mag neugierige Leute. Sie wusste nicht, woher sie den Spruch hatte. Irgendjemand hatte das früher mal gesagt, vielleicht ihre Mutter oder ihre Oma.
Sie blieb stehen, drehte sich um und blickte ihm nach. Im sel ben Moment drehte er sich auch um. Sie lachten und winkten. Das wiederholte sich ein paarmal, dann ging jeder seiner Wege.
Wieder beschlich Nora das beklemmende Gefühl, dass etwas in der Luft lag, etwas, das mit Nick zu tun hatte. Und dass es bald über sie hereinbrechen und sie zu Tode erschrecken würde.
Und obwohl Nora Unklarheiten hasste, war es wohl besser, nichts Näheres zu wissen. So konnte sie noch ein paar glück liche Stunden verbringen und in dem Glauben leben, dass am Ende alles in Ordnung kommen würde.
Aber das Unausweichliche rückte näher, unheimlich schnell. Bald würde Nick einen Menschen töten.
20
Synnøve Viksveen war technisch nicht besonders begabt, aber auf Computer und Software verstand sie sich intuitiv.
Als sie in das Haus im Wald einzog, installierte sie als Erstes die komplette Ausrüstung in beiden Etagen. Sie tarnte sie gut und alles funktionierte drahtlos, deshalb war es für Außenste hende fast nicht zu entdecken.
Sie steuerte die Anlage von ihrem Laptop aus, der ganz un schuldig auf dem Küchentisch stand. Zusammengerechnet hatte sie technisches Gerät im Wert von über 150 000 Kronen im Haus, aber Synnøve Viksveen betrachtete es als Investition. Sie war überzeugt, dass es sich lohnte – in mehr als einer Hin sicht.
Im Großen und Ganzen war Vilde nur ein Zeitvertreib. Eine günstige Gelegenheit, die sie einfach nicht ungenutzt verstrei chen lassen konnte. Ein bisschen Spaß durfte man sich ja wohl noch gönnen!
Synnøve Viksveen stand nicht auf Mädchen – für gewöhnlich nicht, und schon gar nicht auf normale Art und Weise. Aber es machte ihr Spaß, sie zu demütigen, und sie hatte einen Plan für Vilde. Es wäre natürlich amüsanter gewesen, wenn Trine mit gemacht hätte, aber es war nicht entscheidend. Und es stimmte, was sie zu Vilde gesagt hatte: Vilde war ganz klar die Hübschere der beiden.
Synnøve Viksveen hatte einen Partner. Erst hatte sie überlegt, ihn anzurufen, dann aber beschlossen, es nicht zu tun. Dies mal wollte sie nicht teilen, Vilde wollte sie für sich allein haben. Nicht, dass er kein guter Partner gewesen wäre; sie dachten ähn lich, und er kam sogar auf Ideen, die wesentlich weiter gingen als ihre eigenen. Aber manchmal hatte sie ihn satt. Er war eigen und ziemlich von sich eingenommen und wie alle selbstgefälli gen Menschen hatte er keinen Humor. Er begriff nicht, dass er Seiten hatte, die sie lächerlich fand. Wie dieses idiotische Alias, das er im Internet benutzte.
Anfangs hatte sie gedacht, es sei Teil der Rolle, in die er schlüpfte. Dass er das Pseudonym gewählt hatte, weil es ein bisschen mystisch und geheimnisvoll klang und eine gewisse Wirkung auf die Jugendlichen hatte, mit denen er Kontakt auf nahm.
Später begriff sie, dass er es durchaus ernst nahm und stolz darauf war. Dass er sich genau so sah.
Als Wolfman .
21
Der Revolver war geladen und lag schwer und hart in seiner Hand. Er hielt ihn gesenkt, parallel zu seinem Oberschenkel. Der Zeigefinger war am Lauf, nicht am Abzug. Er hatte Angst, sonst aus Versehen abzudrücken. Um ihn herum war es dunkel. Er fühlte sich unwohl. Sein Gesicht war kalt, gefühllos.
Draußen war es windig und die Holzwände knarrten und knackten und schienen ihm zuzuwispern: Wir sehen dich . Glaube nicht, dein Tun wird je vergessen sein. Wir sehen dich und du kannst es nie
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