Dark Village 02 - Dreht euch nicht um
Vildes Kopf auf: der blutige, zuckende Körper. Dieser lange Glassplitter, der aus dem Hals stach, blutüberströmt …
Nein , dachte Vilde. Ich darf nicht daran denken! Das war nicht meine Schuld. Nicks auch nicht …
Sie bekam rasende Lust, mit Nora über all das zu sprechen, was im Haus passiert war, über jedes noch so kleine Detail, und dass sie nichts mit Nick hatte. Aber das ging natürlich nicht! Genau wie die Polizei würde Nora wissen wollen, was sie bei der Viksveen überhaupt gewollt hatte …
Und es war viel, viel schlimmer, einer besten Freundin zu ge stehen, dass sie in eine andere beste Freundin verliebt war, dass sie wild mit ihr geknutscht hatte, beinahe mit ihr geschlafen hätte, und dass die Viksveen sie erwischt und erpresst hatte!
Vilde musste einen kleinen Schritt zur Seite machen, um nicht zu fallen. Es war ein körperlicher Schock, als sie begriff, dass Nora von jetzt an nicht mehr wissen durfte, was in ihrem Leben vor sich ging. Nora und Benedicte waren die letzten Menschen auf der Welt, die von der Sache mit Trine erfahren durften!
Anfangs war doch alles super gewesen. Sie war mit Trine zu sammen und hatte gedacht, dass nichts – gar nichts! – ihr Glück zerstören könnte.
Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätten sie es ruhig in alle Welt hinausschreien können: Wir lieben uns!
Aber dann war plötzlich Schluss, plötzlich hieß es nicht mehr wir , es gab kein wir mehr, wir war nur noch lesbisch und anders und auf eine verkehrte Art auf die verkehrte Person geil und überhaupt war alles verkehrt!
„Was ist?“, fragte Nora.
Vilde zuckte zusammen. „Hm?“
„Ach nichts“, sagte Nora. „Nur … Du hast irgendwie wütend ausgesehen.“
„Wütend, nee.“ Vilde versuchte zu lachen. „Aber es ist erst Dienstag. Ich würd was drum geben, wenn Freitag wäre.“
„Ah.“
„Die Woche ist so ewig lang“, lachte Vilde. Es hörte sich hohl und dumm und falsch an.
„Trotzdem“, sagte Nora vorsichtig. „Bist du sicher, dass alles okay ist?“
Und Vilde spürte ein krankes, ekelhaft bedrohliches Gefühl in sich: Sie weiß was! Scheiße, verdammt, was hat sie rausgefun den!?! Das mit Trine?
Laut sagte sie: „Quatsch, was soll sein?“
„Sicher, dass da nichts läuft zwischen dir und Nick?“
„Ich und Nick?“ Vilde lachte, und sie war so erleichtert, dass ihr Lachen diesmal tatsächlich echt war.
Vilde bekam direkt Lust, ein bisschen zu bluffen: Nick, ja? Okay, wir sind zusammen. Er hat mich erst gestern halb nackt gesehen! Irgendwas in der Art, Hauptsache, es hielt Nora davon ab, JEMALS lesbisch und Vilde und Trine zu denken und zu fra gen: Ist das wahr, dass ihr zusammen seid, du und Trine?
„Nein.“ Vilde schnipste die Kippe in den Rinnstein und lachte wieder, um Zeit zu gewinnen. „Aber süß ist er schon, dieser Nick.“
4
Als er nach Hause kam, war er schweißgebadet. Das Hemd klebte ihm am Rücken. Seine Kehle war trocken und rau. In der Küche ließ er sich ein Glas Wasser ein. Er trank es mit drei großen Schlucken aus und füllte noch mal nach. Dann ging er ins Wohnzimmer. Synnøves Laptop stand auf dem Esstisch. Er klappte ihn auf und schaltete ihn ein.
Er kannte ihr Passwort und wusste, wo sie ihre geheimen Film- und Fotodateien gespeichert hatte.
Die beiden Ordner wurden durch ein ausgeklügeltes Pro gramm geschützt, zu dem nur Synnøve und er Zugang hatten. Rasch loggte er sich ein. Zuerst nahm er sich den Filmordner vor. Er enthielt nur eine einzige AVI-Datei.
„Nanu.“ Überrascht schloss er den Ordner wieder, vergewis serte sich, dass es der richtige war, und klickte ihn erneut an. Doch es blieb dabei, er enthielt nur eine Datei.
„Was zum Teufel …?“ Seine Finger auf der Maus zitterten. Er wiederholte jeden Schritt: Ordner schließen, Ordner wie der öffnen. Eine einzige Datei, der Dateiname bestand aus dem gestrigen Datum.
Dann suchte er den anderen Ordner, in dem normalerweise die Fotos lagen. Leer. Nichts!
Er erinnerte sich an mehrere der Fotos, die bisher in dem Ordner gespeichert gewesen waren. Er startete einen Suchlauf, aber ohne Ergebnis. Im nächsten Schritt suchte er nach den üb lichen Fotodateiformaten. Er erhielt eine lange Liste, aber das waren ausnahmslos temporäre Internetfiles und anderer Müll. Er fand kein einziges der Fotos, von denen er genau wusste, dass sie noch vor zwei Tagen auf der Festplatte gelegen hatten.
Und die Filme! Auch alle weg. Nur der eine AVI-Film mit dem Datum von gestern.
„Verflucht noch
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