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Dark Village - Niemand ist ohne Schuld

Dark Village - Niemand ist ohne Schuld

Titel: Dark Village - Niemand ist ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjetil Johnsen
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eine bequemere Stellung. Nora lag schwer in seinem Arm.
    „Alles gut?“, fragte sie.
    „Ja, ja.“ Er streichelte ihr über den Rücken. „Alles gut.“
    Sie kuschelte sich wieder an seine Brust. Er überlegte, ob er ihr vielleicht doch von der DVD mit dem Videoclip erzählen sollte, auf dem zu sehen war, wie er die Viksveen schubste. Und von dem Brief: Wenn du zu irgendwem ein Wort darüber verlierst, spiele ich der Polizei den Film in die Hände. Du wirst bald von mir hören. Dann teile ich dir meine Bedingungen mit.
    Seither war nichts passiert. Nach dem Mord an Trine und der Polizeiinvasion in Dypdal hatte der Erpresser es vielleicht mit der Angst zu tun bekommen. War der Erpresser eventuell sogar der Mörder? War das möglich? Er hatte keine Ahnung.
    Eigentlich hätte er Nora davon erzählen können. Sie wusste, wie Synnøve Viksveen gestorben war – aber Nick hatte trotzdem keine Lust, es ihr zu sagen. Es hätte alles kaputt gemacht, was sich zwischen ihnen entwickelte hatte. An Viksveens Tod ließ sich nichts mehr ändern. Er war passiert, so war die Welt eben. Get over it . Aber die Erpressung war eine ungeklärte Angelegenheit. Sie war gefährlich und störte den Frieden. Nein, er wollte Nora da nicht hineinziehen. Nicht jetzt. Er wollte sich keine Gedanken darüber machen, ja, er war einfach nicht in der Lage, sich eine Lösung für dieses Problem auszudenken.
    Kann ich das Leben nicht mal kurz genießen?
    Er hatte ihr anvertraut, dass seine Eltern gestorben waren, als er noch klein war, und dass man ihn von Familie zu Familie weitergereicht hatte. Meistens war er wieder weggegeben worden, weil er sich nicht hatte anpassen können, ein paar Mal auch, weil seine Pflegeeltern nicht ganz so heilig gewesen waren, wie sie vorgegeben hatten. Und er hatte von den kleinen Gaunereien erzählt, die immer umfangreicher geworden waren, von den Schlägereien und dem misslungenen Autodiebstahl und von der jungen Lehrerin, die ihn gerettet hatte, als ihm alles völlig ausweglos erschienen war. Sie hatte ihn vor dem Abgrund gerettet, ihm geholfen und im Gegenzug Dinge von ihm verlangt, auf die er ohnehin scharf war – genau wie alle anderen Jungs in der Schule. Sie hatte von ihm verlangt, dass er ihr mit Haut und Haar zu Diensten war, und zwar sooft sie wollte. Ein Fingerschnippen, und er hatte bereitgestanden. Anfangs hatte es ihm Spaß gemacht. Und das war noch vorsichtig ausgedrückt. Ja, er war mindestens genauso bei der Sache gewesen wie sie. Sie war der Traum eines jeden Teenagers: erwachsen, erfahren und schön – und immer willig.
    Doch irgendwann war Nick aufgegangen, dass sie ihn wie einen Sklaven behandelte. Sie hatte nach Herzenslust auf ihm herumgetrampelt.
    Für sie war es bei diesem Verhältnis eher um Macht als um Sex gegangen. Und er hatte herausgefunden, dass er nicht der Einzige war. Er war nur einer von vielen gewesen, an denen sie sich bedient hatte.
    Auf beides hatte er sie angesprochen – und es im selben Moment bereut. Was glaubte er eigentlich, wer er war? Wie konnte er es überhaupt wagen, sie zu kritisieren? War er sich nicht im Klaren darüber, dass ein kleiner Stoß genügte, um ihn in genau den Abgrund zu befördern, vor dem sie ihn gerettet hatte?
    „Was meinst du wohl, wem die Polizei eher glaubt, Nick, wenn ich sage, dass du mich vergewaltigt hast? Hm? Der netten Lehrerin, die alles Menschenmögliche getan hat, um den schwierigsten aller Schüler unter ihre Fittiche zu nehmen? Oder dem Schüler – dem Autodieb und Schläger, der in seinem Leben nur Unheil und Mist angerichtet hat?“
    Er hatte sich ergeben. Eine andere Möglichkeit hatte es nicht gegeben. Und als sie nach Dypdal umgezogen war, um näher bei ihrem Internetpartner Wolfman zu sein, hatte sie dafür gesorgt, dass Nick ebenfalls herkam.
    „Ich habe doch so einen guten Draht zu ihm“, hatte sie seinem Sachbearbeiter vom Jugendamt mitgeteilt. „Armer Nick, ohne mich kommt er kaum zurecht.“ Und sie hatte ihn erpresst, ihre Aussage zu unterstützen.
    Für Nick war es tatsächlich eine Erleichterung gewesen, Oslo zu verlassen, wo er täglich an all das erinnert wurde, was in seinem früheren Leben schiefgelaufen war. Dypdal war grün und ruhig und anders.
    Es war ein Neuanfang gewesen, auch wenn er weiterhin Synnøve Viksveen am Hals gehabt hatte.
    All das hatte er Nora vor über einer Woche anvertraut, sie kannte also einen Großteil seiner Lebensgeschichte – bis auf eine Sache. Den Menschen, der ihm am wichtigsten

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