Dark Village - Niemand ist ohne Schuld
eingewickelt wurde. Sie wurde betäubt, eingepackt und ins Wasser geworfen. Sie ist erstickt. Das war kein Unfall. Das war ein sadistischer, eiskalter Mord.“
„Gut möglich, ja.“ Der Ermittlungsleiter stellte die Tasse ab. „Aber es kann genauso gut ein Unfall gewesen sein, eine Situation, die außer Kontrolle geraten ist.“
„Das glaube ich keine Sekunde“, sagte Lena Kristine Sigvardsen Moe mit einem Nachdruck in der Stimme, der die anderen aufhorchen ließ. Jemand hustete nervös, ein anderer raschelte mit seinen Papieren, die vor ihm auf dem Tisch lagen.
Der Ermittlungsleiter nahm noch einen Schluck Kaffee. Er lächelte, die unangenehme Stille im Raum schien ihm nicht das Geringste auszumachen. Er war mittelgroß – ein untersetzter Mann mit kantigem Kopf und flach anliegendem grauem Haar.
Meine Meinung kümmert ihn einen Scheiß, dachte Lena Kristine Sigvardsen Moe und merkte, dass sie das ärgerte. Eigentlich war sie es gewöhnt, mit vorurteilsbeladenen Kerlen umzugehen. Sie sollte sich nicht derart provozieren lassen.
„Ich weiß, dass Sie persönlich betroffen sind“, sagte der Ermittlungsleiter schließlich. „Und das ist nicht verwunderlich. Dypdal ist ein kleiner Ort. Ist es für Sie ein Problem, in diesen Fall involviert zu sein?“
„Nein.“
„Wir können Ihnen gern andere Aufgaben geben. Sie könnten sich den Fall Katie Wilson und den Revolver vornehmen. Damit sind wir auch noch keinen Schritt weiter. Ein unvoreingenommener Blick und neue Ideen sind auf jeden Fall hilfreich.“
„Nein.“
„Sind Sie sicher?“
Lena Kristine Sigvardsen Moe stellte eine Gegenfrage: „Warum hat er sie ausgezogen?“
Der Ermittlungsleiter sah sie eine Sekunde länger als nötig an, dann seufzte er. „Er hat sie ausgezogen, weil er befürchtete, dass Fasern seiner Kleidung an ihrer hängen bleiben würden.“
„Die meisten Leute machen sich keine Gedanken um Fasern“, sagte Lena Kristine Sigvardsen Moe.
„Doch, das tun sie“, sagte der Ermittlungsleiter. „ Die meisten Leute …“, er zeichnet mit den Fingern Anführungszeichen in die Luft, „gucken Fernsehen. Sieben Tage die Woche sehen sie sich Krimis an, CSI und CIA und wie die alle heißen. Die meisten Leute wissen fast genauso viel über technische Spuren wie ein durchschnittlicher Polizist.“
„Ehemmm.“
Ganz hinten im Raum meldete sich der jüngste Kripobeamte zu Wort.
„Ja“, sagte der Ermittlungsleiter. „Was gibt es, Kruse?“ Seine Stimme quoll nicht gerade über vor Wohlwollen.
Kruse ergriff trotzdem die Chance. „Also“, sagte er, „das Ganze hier, also der Fall, hat ziemliche Ähnlichkeit mit einer Fernsehserie. Das ist eins zu eins Twin Peaks.“
„Twin was?“, hakte Polizeimeister Birger Olsen nach.
„ Twin Peaks“, sagte Kruse. „David Lynch. Eine amerikanische Serie aus den frühen Neunzigern. Gibt’s auf DVD. Ein junges Mädchen wird in einem Fluss gefunden. Tot und in Plastik verpackt. In einem kleinen Nest. Genau wie hier.“
„War sie nackt?“, fragte Lena Kristine Sigvardsen Moe.
„Das weiß ich nicht mehr.“
„Ist das ein Film, der allgemein zugänglich ist?“, fragte der Ermittlungsleiter.
„Es ist eine Serie“, sagte Kruse. „Kein Film. Aber klar, jeder kann sich die aus dem Internet downloaden, gut möglich, dass es die hier auch in den Läden gibt. Oder dass die Videothek sie verleiht.“ Er sah Sigvardsen Moe an. „Hat Dypdal überhaupt eine Videothek?“
Am liebsten hätte sie ihm eine bissige Antwort gegeben. Seine herablassende Art ging ihr auf die Nerven. Sie schluckte.
„ 7-Eleven verleiht DVDs.“
„Überprüfen Sie, ob 7-Eleven oder sonst irgendein Laden im Ort die DVD führt“, sagte der Ermittlungsleiter zu Kruse. „Und sehen Sie sich das an. Suchen Sie nach Ähnlichkeiten zu unserem Fall.“
2
Trines Wand.
Inzwischen lagen dort nicht mehr so viele Blumen. Anfangs war es ein richtiges Blumenmeer gewesen, bis zu zwei Meter von der Mauer weg, mit Teelichtern dazwischen. Daraufhin hat der Direktor die Schüler jedoch aufgefordert, keine Kerzen mehr anzuzünden. Es bestand Brandgefahr, wenn sie so kreuz und quer zwischen den Pflanzen standen.
Trines Wand.
Sie war an der Stelle, wo der Flur sich verbreiterte und in die Cafeteria überging. Drei Fotos von Trine hingen in kurzem Abstand nebeneinander. Ein Porträt, eins von einem Fußballspiel und eins, das sie mit Vilde, Benedicte und Nora zeigte. Es stammte aus dem letzten Jahr. Sie hatten sich die Arme um
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