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Dark Village - Niemand ist ohne Schuld

Dark Village - Niemand ist ohne Schuld

Titel: Dark Village - Niemand ist ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjetil Johnsen
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fielen ihr seine roten schmalen Augen auf. Er sah nicht aus, als hätte er in der letzten Nacht viel geschlafen.
    Vilde wollte schon fragen, was los war, überlegte es sich dann aber anders. Nick war keiner, den man mit solchen Fragen nervte.
    „In Ordnung“, sagte sie und lächelte.
    „Mm.“
    „Wir sehen uns.“
    Er antwortete nicht. Sie wollte sich umdrehen, zögerte aber. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass es einen Grund gab, dass er nicht auch „Ja, wir sehen uns“ sagte.
    Sie öffnete den Mund, aber Nick hatte den Kopf weggedreht und starrte durch den Zaun, als ob auf der anderen Seite etwas Wertvolles läge. Als ob er etwas suchte, das er bei ihnen nicht mehr fand.

6
    Eines Tages bricht die neue Katie in ihr durch. Es passiert genau zu dem Zeitpunkt, als die alte Katie nicht mehr kann, als sie die Grenze dessen erreicht, was sie ertragen kann. Es gibt keinen Ausweg.
    Da bekommt der Körper eine neue Chance, eine neue Katie. Eine Katie, die nicht mehr lieb und folgsam und vorsichtig ist, eine Katie, die sich von einer Drohung wie Entweder du oder dein kleiner Bruder nicht einschüchtern lässt.
    Die neue Katie ist hart und wild und zornig, und sie kommt zum Vorschein, als die alte Katie gerade die Augen geschlossen hat, um zu verwelken und für immer zu verschwinden.
    Sie ist zum Stauwerk gegangen, zum Kontrollraum. Sie hat ihm sein Butterbrot gebracht. Sie sind allein. Mit einer Geste befiehlt er ihr, sich umzudrehen, und gleichzeitig öffnet er schon seine Gürtelschnalle. Er fasst sie am Genick und zwingt sie, sich über die Armlehnen des Bürostuhls zu bücken. Sie stellt sich hin, wie er es verlangt. Er zerrt an ihrem Hosenbund.
    Da passiert es. Eine rasende Wut überfällt sie und etwas in ihr bricht auf, innerhalb eines Augenblicks verändert sich alles. Die neue Katie ist da, und sie tritt nach hinten, so heftig, dass ihre Hüfte schmerzt.
    Der Pflegevater klappt mit einem Stöhnen zusammen und sie fährt herum und schlägt ihm mit der geballten Faust ins Gesicht. Er taumelt rückwärts und fällt in einen Schrank.
    Sie folgt ihm. Sie ist schnell und weiß hundertprozentig, was sie jetzt tun wird: Sie wird ihn umbringen. Sie sieht sich nach einem Gegenstand um, den sie benutzen kann, irgendwas zum Zuschlagen. Sie findet nichts. Hier ist alles glatt und poliert. Sie kann nichts entdecken, was klein oder hart oder scharf genug ist.
    Der Pflegevater liegt rücklings auf dem Boden. Er schreit etwas und versucht, sich aufzurappeln. Katie packt den Bürostuhl, sie hebt ihn fast bis über den Kopf und schleudert ihn auf den Mann am Boden. Er kann gerade noch verhindern, dass die Rollen ihn an der Stirn treffen, mit beiden Händen schützt er sich und schreit vor Schmerz, als das Metall ihn an den Unterarmen trifft.
    Katie läuft zu ihm hin und tritt ihn gegen den Oberschenkel. Sie zielt zwischen seine Beine und tritt noch einmal, aber er dreht sich weg und sie erwischt wieder nur das Bein. Mit einer Hand greift er nach ihr. Sie hebt den Fuß, um sein Handgelenk zu zertrümmern, aber noch ehe sie zutreten kann, reißt er an ihr, und sie verliert das Gleichgewicht.
    Sie rudert mit den Armen, um nicht zu fallen, aber er zerrt noch einmal und sie fällt hintenüber. Sie dreht sich in der Luft und schafft es, auf allen vieren zu landen. Sie schlägt mit dem Fuß aus, den er umklammert hält. Heftig und immer wieder. Sie merkt, dass sie irgendetwas trifft, und er schreit und flucht und lässt sie los.
    Sie springt auf und dreht sich zu ihm um. Die Hände zum Schlag erhoben. Aber er ist ebenfalls dabei aufzustehen und er ist mindestens zwei Meter groß. Sie weiß, dass sie keine Chance hat. Sie muss aus dem Kontrollraum raus, da drin hat er alle Vorteile auf seiner Seite. Sie muss nach draußen und irgendwas finden, mit dem sie ihn schlagen kann, und sie muss diesen Bastard kaputt schlagen, damit er ihr nie, nie wieder etwas antun kann.
    Zum Glück ist die Tür auf ihrer Seite des Raums. Mit nur zwei Schritten hat sie die Klinke erreicht. Sie reißt die Tür auf und rennt in den Korridor. Rundherum ist nichts als Beton – unter den Füßen, über dem Kopf. Sie befindet sich tief im Inneren des Stauwerks.
    Sie hört den Pflegevater hinter sich und rennt um ihr Leben. Sie läuft so schnell, dass es wehtut. Der Betonboden hallt. Es ist nicht weit bis zur Treppe, die nach oben führt, nach draußen, aber die Treppe ist steil und hat schmale Stufen. Und der Pflegevater kommt immer näher, obwohl er groß und

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