Dark Village - Niemand ist ohne Schuld
an.
„Wie wär’s erst mal mit Anklopfen“, sagte er. „Schon mal was davon gehört?“
„Die Tür war offen“, sagte Lena Kristine Sigvardsen Moe. Sie trat an seinen Schreibtisch und ließ das ausgedruckte Foto darauf fallen.
„Es gibt einen Türrahmen.“ Der Ermittlungsleiter griff nach seiner Kaffeetasse. „Sie können an den Türrahmen klopfen. Die Tür ist offen, weil ich Luft brauchte, nicht weil ich Gesellschaft will.“
Während er sprach, nahm er den Ausdruck in die Hand.
„Soso“, sagte er. „Und warum muss ich mir jetzt dieses Auto angucken?“
„Das ist Wolffs Auto“, sagte Lena Kristine Sigvardsen Moe. „Mit 92 Stundenkilometern in der Achtzigerzone geblitzt. In Hammarstad.“
Das Gesicht des Ermittlungsleiters versteinerte. Sie sah, wie seine Augen kalt und eisblau wurden, und gegen ihren Willen war sie beeindruckt. Er hatte es schon durchschaut. Ein Blick und er hatte es kapiert.
„Neunzig Kilometer von hier entfernt“, fuhr sie fort. „Auf der Autobahn. Ein aufgeweckter Kollege von der Verkehrspolizei in Hammarstad hat es mir gemailt. Ob das nicht der Typ wäre, den wir zum Verhör hier haben, fragt er. Das Foto ist von Trines Todestag, aber der Blitzer wurde erst gestern überprüft, darum haben wir es nicht schon früher bekommen.“
„Zwölf Uhr zweiunddreißig“, las der Ermittlungsleiter.
„Ja, zwei Minuten nach halb eins am Tag des Mordes. Da war Wolff neunzig Kilometer von Dypdal entfernt. Er kann es nicht getan haben. Keine Chance. Praktisch gesehen unmöglich.“
„Der Ausdruck ist ja nicht so besonders, wie schaut es mit dem Original aus?“
„Es ist scharf genug, um die Autonummer genau zu erkennen. Und sein Gesicht.“
„Und sein Gesicht …“
„Ja.“
„Krass“, sagte er trocken.
„Ja.“
„Was die Technik heutzutage alles möglich macht.“
„Ja.“
Er seufzte. „Okay.“
Lena Kristine Sigvardsen Moe hatte erwartet, dass er wütend werden und auf den Schreibtisch hauen würde. Dass er den Erstbesten, der ihm in die Quere kam – also vermutlich sie – anbrüllen würde: Warum zum Teufel haben Sie das nicht früher rausgefunden? Aber nein, es machte fast den Eindruck, als ob ihn das alles amüsierte. Es gefiel ihm. Sie beschloss auszuprobieren, wie tief sie bohren konnte, ehe er sauer wurde. „Das hier ist hundertprozentig sicher. Es ist Wolff. Er hat das beste Alibi der Welt. Als Trine umgebracht wurde, war er neunzig Kilometer weit weg. Er kann es nicht rechtzeitig vor dem Fundzeitpunkt hierhergeschafft, sie ermordet und in den See geworfen haben. Das ist unmöglich.“
„Natürlich“, sagte der Ermittlungsleiter.
„Natürlich?“
„Ja. Darum will er uns auch keine Einzelheiten verraten. Keine Details. Er weiß eine Menge über den Fall durch die Zusammenarbeit mit uns, aber nicht genug, um zum Beispiel sagen zu können, wo Trine und ihr Mörder sich begegnet sind. Oder weshalb die Leiche in den See geworfen wurde. Also hält er lieber die Klappe.“
„Aber warum?“, fragte Lena Kristine Sigvardsen Moe. „Warum gesteht er einen Mord, den er unmöglich begangen haben kann?“
Der Ermittlungsleiter antwortete nicht. Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, faltete die Hände über der Brust und lächelte kurz. „Prüfen Sie die Echtheit des Bildes genau. Ein Mal, zwei Mal, wenn nötig auch drei Mal. Und dann noch drei Mal. Überprüfen Sie es so oft, bis Sie hundertprozentig sicher sind, dass daran nichts faul ist, dass niemand die Daten vertauscht oder die Uhrzeit manipuliert oder mit Photoshop gespielt hat. Und wenn sich herausstellt, dass es wirklich echt ist … Lassen Sie ihn laufen.“
„Wir sollen ihn laufen lassen?“ Sie sah ihn an. „Wolff?“
„Natürlich.“
„Aber … aber …“
„Wenn wir jeden Idioten einbuchten würden, der ein falsches Geständnis ablegt …“
„Er ist doch nicht irgendein Idiot! Er weiß etwas. Er hat es da oben im Wald sogar gestanden. Er hat Benedicte gesagt, dass er es war.“
Der Ermittlungsleiter schüttelte den Kopf und sagte genau das zu Lena Kristine Sigvardsen Moe, was sie selbst schon hundertfach gedacht hatte: „Er hat sich wichtig gemacht. Er hat versucht, sie so zu erschrecken, dass er leichtes Spiel mit ihr hatte. Ich habe Trine umgebracht, und wenn du nicht mit mir schläfst, bringe ich dich auch um . Er hat geblufft.“
„Aber es muss ja einen Grund geben, warum er sein Geständnis hier bei uns wiederholt hat.“
„Ja, natürlich gibt es dafür einen
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