DARKNET
unschuldiger die Opfer, desto besser. Und wenn sie gebrochen und verstümmelt sind, lässt man sie frei, damit alle sehen, was denen passiert, die sich widersetzen.»
Plötzlich senkte sich der Haken herab, und Lokis Füße berührten den Boden. Es war das erste Mal seit Stunden, dass der Druck auf seine Atemorgane und der Zug an seinen Schultern nachließen. Doch ehe er die Erlösung auskosten konnte, packten ihn kräftige Hände und zwangen ihn auf die Knie. Zwei bullige Männer arretierten seine Handgelenke in Klemmbügeln, die am Boden verschraubt waren. Sie schoben ihm Kanthölzer unter die Handflächen, damit er die Hände nicht zur Faust ballen konnte, und obwohl er sich wehrte, fand Loki sich mit gespreizten Armen fixiert. Der Major kniete neben ihm.
«Hier drinnen gibt es keine Folterdebatte, mein Freund. Du siehst also, nichts, was du mir sagen könntest, wird den Schmerz abstellen. Du bist nicht mehr Loki, der Hexenmeister. Alles, was du bist, ist eine Plakattafel – auf die ich jetzt meine Botschaft schreiben werde: Schaut her, das passiert mit Leuten, die dem Darknet beitreten …»
Der Major packte Lokis Zeigefingerspitze mit der Metallzange und knipste das vorderste Fingergelenk durch.
Der Schmerz durchschoss ihn, als hätte er Nadeln im Blut. Er schmeckte etwas Salziges, weil er sich auf die Zunge gebissen hatte.
Einem kurzen Moment der Agonie folgte neuer sengender Schmerz, als sich der asiatische Arzt im Laborkittel mit einer rotglühenden Drahtschlinge an dem Stumpf zu schaffen machte und die Wunde kauterisierte, was mit einem grässlichen Brutzeln verbunden war.
Loki warf sich so heftig hin her, dass er sich einen Rückenmuskel zerrte, aber das war erst der Anfang gewesen. Der Major knipste ihm eine weitere Fingerspitze ab, dann noch eine und noch eine. Der Asiate kauterisierte jeweils die Wunde, ehe der nächste Finger drankam. Loki fühlte, wie ihm die Sinne schwanden, aber sie verwedelten Riechsalz unter seiner Nase.
Das Gesicht des Majors war wieder dicht an seinem. «Wie soll dich der Daemon erkennen, wenn du keine biometrischen Marker mehr hast?»
Der unerträgliche Schmerz dauerte an, während ihm diese Ausgeburt der Hölle nacheinander die ersten Glieder von acht Fingern abknipste. Und dann auch noch – was am schlimmsten war – die beider Daumen.
Innerlich bettelte Loki um den Tod. Dass es ihm durch die Kraft seines Willens gelingen möge, sein Herz zum Stillstand zu bringen. Zu sterben und im Universum aufzugehen.
Aber seine Welt war nichts als eine weißglühende Wand aus Schmerz.
Und es wurde noch schlimmer. Ehe er mitbekam, was sich anbahnte, fühlte er, wie sein linkes Augenlid aufgestemmt wurde, sah gerade noch eine chirurgische Zange nach seinem Augapfel greifen, um ihn aus der Augenhöhle zu reißen. Er wollte schreien – sich wegdrehen, aber sie klemmten seinen Kopf fest. Ein Dolch aus Schmerz durchbohrte seinen Kopf, die Sicht seines linken Auges erlosch, und mit dem tränenverschleierten rechten sah er es in eine Metallschale fallen.
Dann, als die entsetzliche Prozedur wiederholt wurde, folgte völlige Blindheit. Loki betete – betete tatsächlich! – um den Tod, aber der kam nicht. Er hörte ein grässliches Stöhnen und merkte dann erst, dass es von ihm kam. Er war ein Tier in den Händen von Metzgern. Er wollte nicht mehr leben.
Wieder hörte er die Stimme Satans an seinem Ohr: «Und damit dich der Daemon nicht an der Stimme erkennt …»
Nein. Nein!
Loki fühlte, wie der steigbügelförmige Knebel, den sie ihm umgeschnallt hatten, sich mit der Kraft eines Wagenhebers aufspreizte – und seinen Mund öffnete und offen hielt, ob er wollte oder nicht. Er fühlte das Kneifen einer Zange, die seine Zunge grob hervorzog, und dann den sengenden Schmerz, der sich ins Zentrum seines Bewusstseins bohrte. Sie hatten ihm die Zunge herausgeschnitten.
Während er innerlich starb, gefangen in der kaputten Hülle seines Körpers, fühlte Loki, wie sein Kopf in den Nacken gekippt wurde, und die Stimme des Teufels flüsterte wieder.
«Dich erkennt der Daemon nicht mehr. Und ich habe alle biometrischen Marker, um
du
zu werden. Ich werde Loki Stormbringer sein. Deine Identität ist meine Belohnung. Wenn ich dich am Leben lasse, dann nur, damit du ab und zu für mich einen funktionellen Magnetresonanztomographie-Test bestehen kannst.»
Das gab ihm den Rest. Doch obwohl er mit jeder Faser seiner selbst darum betete, starb er nicht. Er existierte weiter, wie der
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