DARKNET
sich dicht über ihn.
Es war der Major. «Dank deiner Hilfe habe ich eine Wette gewonnen, Loki.» Er deutete auf unsichtbare Zeugen. «Die haben gesagt, du würdest das Mädchen nicht töten. Aber ich wusste es besser.»
Als es Loki schwarz vor Augen wurde, beugte sich der Major noch dichter heran. «Sie war übrigens unschuldig.»
22 Identitätsdiebstahl
Loki hing mit den Handgelenken an einem Haken, der an der Decke einer Betonzelle befestigt war. Er war nackt. Den größten Teil des Tages hatte er dank Arm- und Beinketten in unbequemen Positionen verbracht, eine Kapuze über dem Kopf. Niemand hatte mit ihm gesprochen. Niemand hatte überhaupt etwas gesagt. Erst vor einer Stunde etwa hatten sie ihn hierhergebracht.
Als Loki sich umsah, deuteten die Wände und die Tür darauf hin, dass er sich in einem Pferdestall befand. Es war eine dicke Holztür, quer geteilt. Durch den oberen Teil konnten die Tiere den Kopf hinausstrecken, um sich füttern zu lassen. So funktionierte das doch, oder?
Um ihn herum waren überall Kameras und Lampen, die ein hartes, gleißendes Licht abstrahlten. In dieser Haltung hatte er Mühe zu atmen, und der Schmerz in seiner Schulter war kaum zu ertragen. Außerdem hatten sie ihm so etwas wie einen Maulkorb umgeschnallt, der ihm ein steigbügelförmiges Metallding zwischen die Zähne zwang. Schlafen war unmöglich.
Der Verlust des Darknets fühlte sich an wie der Tod eines guten Freundes. Nein, das stimmte nicht, weil er ja nie einen wirklich guten Freund gehabt hatte. Ohne die Verbindung zum Darknet fühlte er sich amputiert. Kastriert. Seine elektronischen Kontaktlinsen waren weg. Seine Haptikweste war weg. Seine Handschuhe, sein Knochenschallmikro – alles. Bis auf das Implantat in der Nähe seiner Aorta – das war noch da. Doch es war nur ein Positionsgeber, darüber konnte er nicht mit dem Darknet interagieren. Aber es war seine einzige Hoffnung. Die Frage war: Wie viel Zeit war vergangen?
Nach einer gefühlten Ewigkeit von Schmerz und Qual hörte er, wie schwere Riegel aufgeschoben wurden, und als er aufsah, öffnete sich die mächtige Holztür mit lautem Quietschen.
Da vor ihm stand der Teufel persönlich – der Major, gefolgt von mehreren Männern mit Metallwägelchen auf gummibeschichteten Rädern. Der Major blieb in der Tür stehen und betrachtete Loki.
Du mich auch, Arschloch.
«Du dachtest also, deine Fanboy-Spielzeuge würden uns vernichten? Glaubst du wirklich, ihr wärt die Ersten, die uns mit einer neuartigen Taktik kommen? Es geht nicht darum, wie viele Leute man töten kann – es geht darum, wer zuerst keine Leute mehr hat. Und ich verspreche dir, das werdet ihr sein.»
Der Major trat ein. Sein Gefolge begann, hinter ihm Gerätschaften aufzubauen und eine Art Arbeitsplatz einzurichten. Der Major trug etwas, das wie OP -Kleidung aussah. Hinter dem Major hörte Loki metallene Instrumente klirren. Kaltes Grauen kroch ihm das Rückgrat hinauf. Angst packte ihn, und er zitterte trotz seiner Erschöpfung.
Der Major nahm von einem Asiaten mit einem Mundschutz Gummihandschuhe entgegen. Er selbst trug keinen Mundschutz. Der Major grinste, während er in die Gummihandschuhe schlüpfte.
«Loki Stormbringer. So nennst du dich doch? Level-50-Hexenmeister – oder so ähnlich? Der mächtigste Darknet-Agent, von dem man weiß. Deine Fingerabdrücke sind nirgends behördlich registriert. War das das Erste, was du getan hast, Loki – deine alte Identität vernichten? Keine Fußabdrücke in Geburtsunterlagen. Keine Fingerabdrücke im Rahmen von Präventionsprogrammen gegen Kindesentführung. Keine DNA -Proben von früheren Festnahmen. Als wäre Loki dein wahres Ich – als wolltest du den Anschein erwecken, dass der White-Trash-Loser, der du mal warst, nie existiert hat. Aber ich werde dir zeigen, dass du existierst.»
Der Major baute sich direkt vor Loki auf. «Ich fand das immer schon belustigend, diese amerikanische Debatte, ob Folter effektiv ist.» Er ging ein paar Schritte weg und nahm eine Zange von einem Metalltisch, den seine Leute gerade aufgebaut hatten. «Natürlich ist sie das.»
Der Major kam zurück und verdeckte dabei das Instrument mit der Hand. «Aber nicht, um an Informationen zu kommen. Um Information geht es dabei nicht.»
Er hielt Loki die bedrohlich aussehende Zange vors Gesicht. «Bei der Folter geht es um Kontrolle. Wenn man mich tausend Menschen foltern lässt, bringe ich fünf Millionen dazu, brav und gehorsam zu arbeiten. Je
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