Darkover 02 - Herrin der Stuerme
ist passiert?« fragte er. Sein Herz klopfte. Die Kehle war ihm vor Angst wie zugeschnürt. Oh, Gott, hatte Darren sich erdreistet, Hand an ein elfjähriges Kind zu legen?
»Komm, Bredilla. In diesem Zustand darf dich keiner sehen. Komm, ordne dein Haar, Chiya. Und schließe dein Mieder, schnell«, drängte er sie und überlegte, wie er es anstellen sollte, sie an ihrem Vater vorbeizubekommen. Lord Aldaran würde sich mit seinen Verwandten von Scathfell auseinandersetzen. Donal kam überhaupt nicht auf den Gedanken, daß ein solcher Streit ihm selbst zum Vorteil gereichen konnte. »Weine nicht, kleine Schwester. Er war sicher betrunken und wußte nicht, was er tat. Jetzt siehst du, warum eine junge Frau nicht so viel trinken darf: Um nicht die Kontrolle über sich zu verlieren. Nur so verhindert sie, daß junge Männer auf solche Ideen kommen. Komm, Dorilys, weine nicht«, flehte er.
Mit bebender Stimme sagte sie: »Darren … Ich habe ihn verletzt. Ich weiß nicht, aber etwas ist passiert. Er liegt da und spricht nicht mit mir. Zuerst wollte ich, daß er mich küßte, aber dann wurde er grob. Ich habe ihm Einhalt geboten, da schlug er mich. Ich wurde wütend und – habe den Blitz kommen lassen. Aber ich wollte ihn nicht verletzen, wirklich, das wollte ich nicht. Bitte, Donal, bleib hier und sieh dir an, was mit ihm los ist.«
Avarra, gnädige Gottheit! Donal, dessen Atem in Stößen kam, folgte seiner Schwester auf den dunklen Balkon, kniete neben Darren nieder und wußte im gleichen Moment, was er entdecken würde. Darren, das Gesicht zum dunklen Himmel gerichtet, lag bewegungslos, sein Körper wurde schon kalt.
»Er ist tot, Dorilys. Du hast ihn getötet«, sagte er und zog sie schützend in seine Arme. Er spürte, daß ihr Körper wie ein Baum im Wind zitterte. Um die Höhen von Burg Aldaran krachten und grollten Donnerschläge, die allmählich verstummten.
10
»Und jetzt«, sagte Lord Scathfell düster, »hören wir, wenn die Götter es wollen, die Wahrheit über diese schreckliche Angelegenheit.« Die Gäste waren verabschiedet und auf ihre Zimmer oder zu den Pferden gebracht worden. Über den Höhen von Schloß Aldaran zeigte die blutige, rote Sonne durch schwere Wolken die ersten Anzeichen ihres Gesichts. Man hatte Darrens Körper in die Burgkapelle gebracht, und obwohl sie nicht miteinander befreundet gewesen waren, hatte Donal ein Gefühl des Bedauerns nicht unterdrücken können, als er den jungen Mann starr und erstaunt, mit unordentlicher Kleidung, den Kopf in einem Krampf von Schmerz und Entsetzen zurückgeworfen, dort liegen sah. Er hat ein unwürdiges Ende gehabt, war sein erster Gedanke gewesen. Es drängte ihn, die Kleidung des jungen Manns in Ordnung zu bringen; doch dann wurde ihm klar, daß dies alle Spuren von Dorilys einziger Verteidigung beseitigen würde.
Blutschuld auf einem so jungen Kind, hatte er schaudernd gedacht, war von dem Leichnam zurückgetreten und in Lord Aldarans Empfangszimmer gegangen.
Margali war aus dem tiefen Schlaf geweckt worden, der sie übermannt hatte, als ihre Schmerzen aufhörten. Mit einem dicken Schal über dem Nachtkleid saß sie da, während Dorilys in ihren Armen schluchzte. Das Mädchen sah jetzt wie ein erschöpftes Kind aus, ihr Gesicht vom langen Weinen fleckig, ihr Haar in strähnigen Locken herabfallend, die geschwollenen Augenlider schläfrig über die Augen gesenkt. Einmal hatte sie beinahe aufgehört, aber immer wieder schüttelte ein neues, krampfhaftes Schluchzen ihre schmalen Schultern. Ungeachtet der Tatsache, daß ihre Beine den Boden berührten, wirkte sie auf Margalis Schoß wie ein kleines Kind. Ihr kunstvolles Kleid war beschmutzt und zerknittert.
Über den Kopf des Kindes hinweg sah Margali Lord Mikhail von Aldaran an und sagte: »Ihr wollt also den Wahrzauber, mein Fürst? Gut, aber laßt mich wenigstens die Zofe rufen und das Kind zu Bett bringen. Sie ist die ganze Nacht wach gewesen, und Ihr könnt sehen –« Mit einer Kopfbewegung wies sie auf die aufgelöst weinende Dorilys, die sich an sie klammerte.
»Es tut mir leid, Mestra, aber Dorilys muß bleiben«, sagte Aldaran. »Wir müssen, fürchte ich, auch hören, was sie zu sagen hat, und zwar unter Wahrzauber … Dorilys« – seine Stimme war sanft – »laß deine Pflegemutter los, mein Kind, und setz dich neben Donal. Niemand wird dir weh tun. Wir wollen nur wissen, was geschehen ist.«
Widerstrebend löste Dorilys ihren Griff von Margalis Hals. Sie war steif, von Entsetzen
Weitere Kostenlose Bücher