Darkover 03 - Herrin der Falken
tot, so lange tot, daß nicht einmal die Götter ihn von dem Ort, wohin unsere toten Hoffnungen gehen mögen, zurückrufen könnten. Er legt immer noch Wert auf meine gute Meinung – das bedeutete die Botschaft oder Warnung –, aber es kann nichts anderes als seine Eitelkeit sein, die auch früher groß war. Ich glaube nicht, daß er… durch und durch böse ist.« Sie stolperte ein bißchen darüber. »Rakhal trägt die Schuld. Aber inzwischen muß er erkannt haben, wie Rakhal ist, und immer noch folgt er ihm nach. Deshalb kann ich ihn nicht schuldlos sprechen an all den Greueln, die in Rakhals Namen verübt werden.«
Romilly fragte schüchtern: »Hast du sie beide gekannt, Carolin und Rakhal? Wie ist Rakhal dazu gekommen, sich des Thrones zu bemächtigen?«
Jandria schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Ich habe den Hof verlassen, als Rakhal noch behauptete, Carolins treuester Gefolgsmann zu sein, und alle Gunstbeweise annahm, mit denen Carolin ihn als seinem liebsten Cousin und Pflegebruder überschüttete.«
»Carolin muß ein guter Mann sein«, meinte Romilly nach einer Pause, »sonst hätte Orain nicht soviel Hingabe für ihn. Und…«, sie zögerte, »und du auch nicht.«
Jandria fragte: »Du hast doch sicher Carolin kennengelernt, als du mit Orain zusammen warst?«
Romilly schüttelte den Kopf. »Man sagte mir, der König sei in Nevarsin, aber ich bin ihm dort nicht begegnet.«
Jandria hob die Augenbrauen, bemerkte jedoch nur: »Iß deinen Brei auf, Kind, und spüle den Topf im Bach aus. Dann reiten wir weiter.«
Schweigend verrichtete Romilly ihre Arbeit, sattelte die Pferde und packte ein, was von ihren Lebensmitteln noch übrig war. Sie stiegen auf, und erst jetzt sagte Jandria, so lange Zeit nach Romillys Frage, daß sie sie beinahe schon wieder vergessen hatte: »Carolin ist ein guter Mann. Sein einziger Fehler ist, daß er bedingungslos auf die Ehre der Hasturs vertraut, und er hat den Fehler begangen, Rakhal zu trauen. Nicht einmal Orain konnte ihm begreiflich machen, wie Rakhal ist, und ich ebensowenig. Carolin glaubte, Orain sei nur eifersüchtig. Eifersüchtig, Orain!«
»Wie ist Rakhal denn?« wollte Romilly wissen, Jandria schüttelte nur den Kopf.
»Ich kann nicht objektiv über ihn sprechen; mein Haß macht mich blind. Aber wo Carolin mehr als alles andere die Ehre liebt und danach das Wissen und sein Volk, liebt Rakhal nur den Rausch der Macht. Er ist wie eine Bergkatze, die Blut geleckt hat.« Sie stieg in den Sattel. »Heute wirst du den Zügel des Packtiers nehmen. Ich reite voraus, denn ich kenne den Weg.«
Als sie aus dem Wald herauskamen, hatte Romilly wieder das vage Gefühl, beobachtet zu werden. Es mußte Preciosa sein. Der Falke kam nicht auf ihre Hand, aber ein-oder zweimal erhaschte Romilly einen Blick auf den hoch am Himmel schwebenden Vogel und wußte, sie war nicht allein. Bei dem Gedanken wurde ihr so warm ums Herz, daß Angst und Besorgnis von ihr abfielen.
Sie und ich sind eins: Sie hat ihr Leben mit dem meinen verbunden. So ungefähr mußte eine Ehe sein, unlösbar, ein Band, das in Leib und Seele des anderen tief verankert war. Mit dem Pferd, das sie augenblicklich ritt, fühlte sie sich nicht eins. Doch es hatte sie treu getragen, und sie meinte es gut mit ihm und kümmerte sich um sein Wohlergehen.
Das Pferd ist mein Freund. Preciosa ist etwas anderes, so etwas wie ein Liebhaber.
Und das brachte sie dazu, scheu und beinahe zum ersten Mal darüber nachzudenken, wie es sein mochte, einen Liebhaber zu haben, ihr nahe wie der Falke, im Geist und im Herzen und auch im Körper. Es würde jemand sein, mit dem sie kommunizieren konnte, nicht so, wie die MacArans es mit ihren Pferden, Hunden und Falken taten, über den weiten Abgrund hinweg, der zwischen Mann und Pferd, Frau und Falken, Kind und Hund lag, sondern mit dem Verständnis für die arteigene Spezies. Dom Garris hatte sie begehrt, aber seine lüsternen Blicke hatten in ihr nichts als Abscheu hervorgerufen. Doppelten Abscheu hatte sie vor Rory empfunden, der ihr ihres Pferdes und Mantels und der paar Kupfermünzen wegen ohne Bedenken die Kehle durchgeschnitten hätte und doch mit ihr schlafen wollte.
Orain hatte Verlangen nach ihr gehabt – wenigstens so lange, wie er sie für einen Jungen hielt. Und… sie gestand sich etwas ein, das ihr damals nicht ganz klar gewesen war… sie hatte Verlangen nach ihm gehabt. Nur hatte sie, als es geschah, nicht erkannt, was ihre eigenen merkwürdigen Gefühle
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