Darkover 03 - Herrin der Falken
Freund, er tut dir nichts, sei ruhig. Mit ihrer freien Hand zog sie dem Jungen den Handschuh an und setzte den Vogel darauf. Der Junge gab sich große Mühe, daß sein Arm nicht zitterte. Romilly reichte ihm eine Feder. »Streichele ihr damit die Brust. Berühre einen Vogel niemals mit der Hand. Selbst wenn deine Hände sauber sind, beschädigen sie sein Gefieder.« Da streichelte er Prudentias glatte Brust und sprach leise auf sie ein.
»Ich bin einem Kundschaftervogel noch nie so nahegekommen«, murmelte er entzückt. »Ich habe gehört, sie seien wild und könnten nicht gezähmt werden. Ist es Laran, das sie so ruhig hält, domna?
»Du darfst mich hier nicht domna nennen.« Romilly sprach in gedämpftem Ton, um den Vogel nicht zu erschrecken. »Der Name, den ich benutze, ist Rumal.«
»Ist es Laran, Rumal? Glaubst du, ich könnte lernen, mit einem solchen Vogel umzugehen?«
»Natürlich«, antwortete Romilly. »Du solltest nur mit einem kleinen Falken beginnen, einem Damenvogel oder Sperlingsfalken, damit dein Arm nicht ermüdet, was den Vogel beunruhigen würde. Ich nehme Prudentia besser wieder«, setzte sie hinzu, denn der kleine Arm zitterte vor Anspannung. Romilly setzte den Vogel auf eine Reck. »Und Laran bewirkt weiter nichts, als daß es dir hilft, deine Gedanken auf die des Vogels abzustimmen. Nur ist das Klima hier für gewöhnliche Falken zu rauh, deshalb wirst du wohl warten müssen, bis du ins Tiefland zurückkehrst.«
Der Junge seufzte und sah bedauernd den Vogel auf der Reck an. »Die hier sind zäher als Falken, nicht wahr? Sind sie verwandt mit den Kyorebni?«
»Sie haben Ähnlichkeit mit ihnen«, stimmte Romilly zu, »sind aber intelligenter als Kyorebni und auch als Falken.« Es kam ihr wie ein Verrat an Preciosa vor, daß sie das eingestand. Ein paar Tage des Rapports mit den Kundschaftervögeln hatten sie jedoch gelehrt, daß sie eine höhere Intelligenz besaßen.
»Darf ich Euch… darf ich dir helfen, Rumal?«
»Ich bin beinahe fertig«, sagte Romilly, »aber wenn du möchtest, kannst du dies Grünzeug und die Steinchen in ihre Atzung mischen. Allerdings, wenn du das Aas anfaßt, werden deine Hände danach stinken.«
»Ich kann sie mir am Brunnen waschen, bevor ich zum Chor gehe. Der Vater Cantor ist sehr fett und kommt immer zu spät zur Probe«, erklärte der Junge ernst. Romilly sah lächelnd zu, wie er das nach Wild riechende Fleisch aufteilte und es mit Kräutern und Steinchen bestreute. Doch das Lächeln verschwand schnell wieder. Dies Kind war ein Telepath und der Sohn Lyondri Hasturs. Er konnte sie alle in Gefahr bringen. »Wie heißt du?« erkundigte sie sich.
»Ich werde Caryl gerufen«, antwortete der Junge. »Ich wurde nach dem Mann genannt, der König war, als ich geboren
wurde. Nur sagt Vater, Carolin sei heutzutage kein guter Name. Carolin mißbrauchte seine Macht, sagt man, und war ein schlechter König. Deshalb mußte sein Cousin Rakhal den Thron einnehmen. Aber zu mir war er freundlich.«
Das Kind wiederholte nur, was es von seinem Vater gehört hatte, sagte Romilly zu sich selbst. Caryl war mit der Zubereitung des Futters fertig und fragte, ob er einen der Vögel atzen dürfe.
»Gib das hier Prudentia«, sagte Romilly. »Sie ist die sanfteste, und ich sehe, daß ihr euch bereits angefreundet habt.«
Er trug dem Vogel das Fleisch hin und sah zu, wie er gierig daran zerrte, während Romilly die beiden anderen atzte. Eine Glocke erklang im äußeren Hof des Klosters, gedämpft durch die dazwischenliegenden Mauern, und der Junge schrak zusammen.
»Ich muß zum Chor, und danach habe ich Unterricht. Darf ich heute abend kommen und dir beim Füttern der Vögel helfen, Rumal?«
Romilly zögerte, und er versprach feierlich: »Ich werde dein Geheimnis bewahren, das gelobe ich.«
Da nickte sie. »Komm nur, wann immer du möchtest.« Der Junge rannte davon. Romilly sah, daß er sich die Hände am Hosenboden abwischte, wie jeder lebhafte Junge es getan hätte. Sein Versprechen, sie am Brunnen zu waschen, war vergessen.
Als er außer Sicht war, seufzte sie und blieb unbeweglich stehen, ohne auf die Vögel achtzugeben.
Lyondri Hasturs eigener Sohn war hier im Kloster, und hier wollte sich Dom Carlo mit König Carolin treffen, ihm die wertvollen Kundschaftervögel schenken und in der Stadt eine Armee zusammenziehen. Es war nicht ausgeschlossen, daß Caryl den König vom Ansehen kannte. Wenn sich nun Carolin verkleidet in der Stadt befand und ins Kloster kam,
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