Darkover 04 - Der Untergang von Neskaya
manchmal vielleicht irreführende Dinge unter dem Wahrheitsbann, je nachdem, wie die Frage gestellt wird. Aber es ist unmöglich, wissentlich die Unwahrheit zu sagen.«
Eine Gewissheit, kälter als Eis und härter als Stahl, breitete sich in Taniquel aus. »Ich weiß, was ich gehört habe. Er hat etwas gesagt, was nicht stimmte. Er wusste, dass es nicht stimmte. Und das Licht erstrahlte weiter auf seinem Gesicht.«
»Du musst dich getäuscht haben… «, wandte Caitlin mit zitternder Stimme ein.
»Ich weiß, was ich weiß. Und ich habe gehört, was ich gehört habe.«
»Was war das?« Rafaels Stimme klang dumpf und kehlig.
»Er sagte… er sagte, mir sei die Erlaubnis erteilt worden, die Totenwache bei Padrik zu halten. Onkel, ich schwöre bei Aldones und Evanda und jedem Gott, den du mir nennst, dass ich in meine Gemächer eingeschlossen war und mir die Totenwache verboten wurde.«
»Vielleicht war das eine Eigenmächtigkeit von Deslucidos Untergebenen«, sagte Rafael. »Er könnte geglaubt haben, dass es dir freisteht, das zu tun. Dann hätte er nicht gelogen, wenn er selbst getäuscht worden wäre.«
Taniquel schüttelte den Kopf. »Ich ging zu ihm, um eine Erklärung dafür zu fordern, weil er mir doch vorher versichert hatte, dass ich alle angemessenen Riten für Padrik durchführen lassen dürfe. Er wimmelte mich unter einem windigen Vorwand ab und weigerte sich dann schlechterdings, sein Ehrenwort zu halten. Ich wurde auf seinen eigenen Befehl eingeschlossen.«
»Er wollte eindeutig nicht, dass du in aller Öffentlichkeit kundtust, wie du um deinen erschlagenen Gemahl trauerst, zu einer Zeit, da er die Herrschaft über die Burg an sich zu reißen versuchte«, sagte Caitlin.
Taniquel waren Deslucidos Gründe egal. »Er hat es mir ausdrücklich verboten. Und dann, heute, schwor er, dass ich frei gewesen sei.« Sie schauderte. »Kein Wunder, dass mir etwas eigenartig vorkam.«
Caitlin warf Rafael einen verstörten Blick zu, ihr früheres Selbstvertrauen war zerbrochen. Kein Wunder, dachte Taniquel in einem jähen Anfall von Mitleid. Caitlins Arbeit, ihre ganze Welt, beruhte auf der Sicherheit ihres Wissens um Laran. Wenn der Wahrheitsbann, der Stützpfeiler dieser Gewissheit, sich aushebeln ließ - und dann noch von so einem Lumpen wie Deslucido -, auf wen und was konnte sie dann noch vertrauen?
Rafael musste das Gleiche gedacht haben. Sein Gesicht lief hochrot an. Sein Atem zischte zwischen den Zähnen. Mit sichtlicher Mühe ging er zu dem am weitesten entfernten Stuhl und setzte sich.
Auch Caitlin konnte sich nur schwer beruhigen. »Und doch steht dein Wort gegen seines. Für so einen ernsten Vorwurf muss ein unstrittiger Beweis erbracht werden.«
»Ich glaube ihr«, sagte Rafael.
Aber Caitlin ließ sich nicht erweichen. »Das ist keine private Angelegenheit. Das… wenn das bekannt wird… «
»Ich brauche keine Belehrung, was dann geschehen würde«, sagte Rafael. »Alles, was wir getan haben, um die Zeit des Chaos zu beenden, wäre vergebens gewesen. Kein Mensch würde mehr dem Wort des anderen vertrauen… «
»Oder der Wahrheit des Laran, des Stoffes, der unsere Welt zusammenhält… «, sagte Caitlin.
»Ich schwöre bei allem, was ihr wollt«, sagte Taniquel und hob den Kopf. »Unter dem Wahrheitsbann.« Obwohl sie bei dieser Vorstellung von Entsetzen gepackt wurde, blickte sie Caitlin an.
»Ich würde mich sogar einer direkten Sondierung meiner Gedanken unterziehen.«
»Kind, du weißt nicht, was du da anbietest.«
»O doch. Wir müssen uns sicher sein.« Taniquel begegnete dem Blick ihres Onkels. »Du musst dir sicher sein.«
Er weiß, wenn ich Recht habe, kann er keinen Kompromiss schließen. Er muss Deslucido und jede Spur dessen, was er getan hat, vernichten, selbst wenn das bedeutet, sich allein gegen den Rat zu stellen.
Rafael nickte Caitlin zu.
»Es besteht ein gewisses Risiko… «, sagte die Leronis.
»Es besteht immer ein Risiko«, rief Taniquel. »Aber die Gefahr ist viel größer, wenn wir nicht handeln.«
»Also gut.« Caitlin stieß einen leisen Seufzer aus, während sie zu dem Sternenstein griff, den sie in einem Medaillon um den Hals trug, das in Seide eingefasst war. »Begleitet mich ins Schlafgemach.«
Anschließend wusste Taniquel nicht mehr viel von dem, was geschehen war. Sie war sich nicht sicher, ob ihr Bewusstsein die Erinnerungen unterdrückte oder ob Caitlin sie gemildert hatte, um ihr anhaltende Schmerzen zu ersparen.
Sie hatte auf dem Bett gelegen
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