Darkover 04 - Der Untergang von Neskaya
angeschwollenen Fluss, dessen Wassermassen über die Ufer treten konnten, gab es in ihm nichts, wohin dieses Übermaß an Energie hätte abfließen können.
Er hatte Geschichten über die Aldarans und ihre Wetterexperimente gehört, dass hin und wieder einer von ihnen, der einen Blitz oder die Magnetkräfte des Planeten durch seinen Körper geleitet hatten, eines grausamen Todes gestorben war. Jetzt wurde ihm der ganze Wahnsinn dessen, was er getan hatte, erst richtig bewusst. Er hatte die gespeicherte und durch eine Matrix neunten Grades konzentrierte und vervielfältigte Laran-Energie aus sämtlichen Batterien in sich aufgenommen. Er hatte sich als einzelner Mensch mit diesem Ding verbunden, und jetzt gab es kein Entrinnen mehr.
Ihm war klar, dass er sterben würde. Mit jedem Augenblick, der verging, spürte er, wie etliche der empfindlichen Kanäle barsten, wie die verstopften Knoten anschwollen. Seine Energie-Körper-Systeme hatten schon reflexartig damit begonnen, sich abzuschalten, in dem verzweifelten Versuch, die durch sie hindurchtosenden Kräfte unter Kontrolle zu bringen. Bald würde sogar das erforderliche Minimum, das es zur Selbsterhaltung brauchte, unter dem Druck zusammenbrechen.
Trotzdem musste er durchhalten, er musste durchhalten, bis die Türme dort unten evakuiert und die Arbeiter in Sicherheit waren.
Blaue Flammen krochen von den Fingerspitzen entlang der Nerven bis zu den Schultern. Sie versengten die Haut auf seinen Händen, brannten wie Haftfeuer immer heller, je mehr verbrannte Hautschichten sich abschälten. Als das Feuer sich nach seinem Herz streckte, erbebte die Luft von seinen stummen Schreien.
Taniquel!
Ohne nachzudenken rief er nach ihr. Einst hatte er ihr versprochen, durch das Feuer zu ihr zu kommen. Jetzt war er selbst dieses Feuer geworden. Seine Worte waren wie Asche im Wind.
Coryn hatte keine Hände mehr, um die Fäden aus gedanklicher Materie festzuhalten. Er hatte alles in sich aufgenommen. Von der Gestalt, die sein Körper war, blieben nur noch ein paar verkohlte Knochenreste übrig. Knochen und der schrille Widerhall des Schmerzes.
CORYN!
Eine Stimme rief ihn aus der Ferne, rief seinen Namen, der nicht mehr seiner war. Der Klang verhallte in der Luft, riss die zarten Bande in Fetzen, die das enthielten, was von seinem Bewusstsein noch übrig war.
Weit entfernt, in einem Zimmer hoch oben in den Ruinen eines mächtigen Turms, brach ein Mann über den in einer Reihe angeordneten künstlichen Kristallen zusammen. Der reglose Körper drückte die metallenen Einfassungen zusammen, verbog sie so, dass sie nicht wieder zu reparieren waren. Unter seinem Gewicht splitterten die größten Edelsteine, andere rollten über den Boden und verschwanden in den Ritzen, die zwischen den Steinfliesen klafften.
Staub legte sich auf alles, nur um von einem letzten Erbeben des Turms noch einmal aufgewirbelt zu werden. Die Wände gaben nach. Schlusssteine stürzten herab. Korridore und Treppenfluchten fielen in sich zusammen. Die durchscheinende Laran-Gestalt einer Frau, mit Tränen in den Augen stand schimmernd über dem vornübergebeugten Mann. Ihr Mund bewegte sich sachte, doch war kein Laut zu hören, nur das Poltern der herabstürzenden Steine.
Kurz darauf bahnten sich zwei Männer ihren Weg an dem eingebrochenen Türrahmen vorbei. Einer von ihnen hatte den Kopf mit einem blutbefleckten Tuch verbunden, das hastig aus einem Frauenunterkleid herausgerissen worden war. Sein Gefährte kniete neben den Ruinen der Matrix nieder und streckte die Hand nach dem zusammengebrochenen Mann aus.
»Möge Aldones uns verschonen! Er atmet nicht mehr!«
40
Taniquel schwankte vor Müdigkeit im Sattel. Ihr Reittier, eine grobknochige Fuchsstute, die ihr einer von Rafaels Offizieren geliehen hatte, nachdem ihr eigenes Pferd mit einem Pfeil in der Kehle zusammengebrochen war, trottete stumm und geduldig dahin. Sie hatte den Eindruck, als sei sie schon einen Zehntag nach Acosta unterwegs, dabei waren es nur eine Nacht und der größte Teil des nächsten Tages. Staub bedeckte sie von oben bis unten und kratzte sie im Hals. Ihr Haar hatte sich schon nach den ersten Stunden des Ritts gelöst und hing ihr in einem verfilzten Wust fast bis zur Taille. Ihre Lider brannten, und die getrockneten Spuren der Tränen, die ihr der scharfe Wind in die Augen trieb, juckten unangenehm auf ihren Wangen. Mit der einen Hand umklammerte sie nicht nur die Zügel, sondern auch den Sattelknauf; in
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