Darkover 04 - Der Untergang von Neskaya
und schrie zwei Männern, die Coryn nicht sehen konnte, Befehle zu. Ihr Haar war zur Hälfte weggesengt, ihre Arme mit blutigen Streifen überzogen. Arans Gesicht war unter der Staubschicht aschfahl.
Der gewaltige Stein bewegte sich von der Stelle. Sie schob die Hände unter Arans Schulter und zog ihn darunter hervor…
… Bernardo humpelte, auf Gerells Arm gestützt, die Treppe hinunter, blieb vor jedem Hindernis aus herabgestürzten Steinen schwer atmend stehen…
Ich muss durchhalten, dachte Coryn. Ich muss ihnen mehr Zeit verschaffen.
Er konnte den Sturm nicht auflösen. Hunderte von Stunden in den Batterien konzentrierter und durch die Vorrichtung aktivierter Laran-Energie waren unkontrolliert entfesselt worden. Er musste sie dorthin lenken, wo sie am wenigsten Schaden anrichten konnten, an einen Ort, an den sich kein Mensch wagte. Dabei spürte er schon jetzt, dass er allmählich müde wurde…
Mit erneuter Anstrengung holte er sich zurück in die Überwelt, aber nicht dorthin, wo er sich zuletzt aufgehalten hatte, zwischen die Manifestationen der beiden Türme. Er stand, nun wieder in menschlicher Gestalt, auf einer Ebene, die so grau und konturlos war, dass er weder den Boden unter seinen Füßen noch ein Dach oder den Himmel über sich ausmachen konnte.
Seine Ausbilder hatten ihn gelehrt, dass die Toten oft zwischen einer Welt und der nächsten verweilten, insbesondere diejenigen, die ohne jede Vorbereitung aus dem Leben gerissen worden waren. Eine der Gefahren der Überwelt bestand darin, dass die Angehörigen der Toten, so sie ausreichend Laran-Fähigkeiten besaßen, um sich dorthin zu begeben, sie aus der Ferne sehen konnten, sie anriefen und auf sie zuliefen. Doch egal wie schnell sie sich bewegten, wie weit sie auch vordrangen, der geliebte Verstorbene wich bei dieser endlosen und vergeblichen Verfolgung immer wieder vor ihnen zurück. Manchmal kam es sogar vor, dass der Suchende selbst verloren ging, sein Geist für immer umherirrte, während sein fleischlicher Körper verkümmerte und starb.
Coryn hatte sich, immer noch eng mit dem Energiesturm verbunden, bis an den Rand des Totenlandes katapultiert. Es war noch öder und verlassener, als er es sich vorgestellt hatte. Wäre er nicht so verzweifelt gewesen, er hätte angesichts dieser Trostlosigkeit geweint.
Seine Hände packten Tausende von Fäden, die zu einem undurchdringlichen Ganzen verwoben und im tiefsten Kern seines Wesens verwurzelt waren. Die Fäden dehnten sich aus, überbrückten die Zeit und den psychischen Raum. Er zog vorsichtig daran - und der darauf folgende Gegenzug hätte ihn fast von den Füßen gerissen.
Coryn packte fester zu, stemmte sich mit seinem ganzen Gewicht gegen das Netz. Einen Moment lang geschah überhaupt nichts. Die Schnüre hätten ebenso gut an einem Felsmassiv befestigt sein können. Doch dann spürte er, wie sie leicht nachgaben.
Als er versuchte, einen Schritt nach hinten zu machen, schnellte die Masse zurück und zog ihn wieder nach vorn.
Er würde das Gebilde nicht einfach in diese leere Welt ziehen können, so wie ein Zugpferd einen Baumstamm zieht. Obwohl ihn allein schon die Vorstellung erschauern ließ, wusste er nun, was er tun musste - und zwar rasch, denn obwohl die Zeit in der Überwelt nicht in der gleichen Geschwindigkeit ablief wie auf Darkover, verringerten sich die Chancen seiner Freunde, mit einigermaßen heiler Haut davonzukommen, mit jedem verstreichenden Augenblick.
Coryn lockerte den Griff so weit, dass die Finger mit den Netzfäden kaum noch in Berührung standen. Dann mobilisierte er alle ihm noch zur Verfügung stehenden Kräfte und fing an, die Fäden zu verkürzen, sie in sich selbst aufzunehmen. Sie glitten reibungslos hinein, doch die Anstrengung war gewaltig. Nichts, was er je in seinem Leben getan hatte, weder die Besteigung des höchsten Gipfels der Hellers noch die Bekämpfung eines Waldbrandes, war dermaßen anstrengend gewesen, so nahezu unmöglich. Sein Körper schrie vor Schmerz, jeder Nerv, jeder Muskel, jeder Knochen und jede Sehne.
Sekunde um Sekunde, Herzschlag um Herzschlag zog er den tobenden Sturm in sich hinein. Er war das Netz, er hielt das Netz fest. Er war der Sturm, er hielt den Sturm fest. Sobald er ihn völlig in sich aufgenommen hatte, würde er, Coryn, aufhören zu existieren.
Seine ausgebildeten Sinne registrierten genau, wie seine eigenen Energonen-Kanäle anschwollen, wie immer mehr Kraft in ihn hineinströmte. Doch im Gegensatz zu einem
Weitere Kostenlose Bücher