Darkover 04 - Der Untergang von Neskaya
Weinbauer war bei der Rückeroberung der Burg am Bein verwundet worden, und die Wunde hatte so geeitert, dass das kranke Glied abgenommen werden musste. Ein anderer Mann brachte die Witwe seines Bruders zu Taniquel. Deslucidos Armee hatte zahlreiche Gutshöfe zerstört und den Viehbestand beträchtlich dezimiert. Mit Unterstützung von Gavriel und dem Coridom fand Taniquel für alles eine Lösung. Sie rackerte von morgens bis abends, dann fiel sie völlig erledigt ins Bett.
Jeden Morgen beobachtete sie den Stand der Sonne, der anzeigte, dass die Tage allmählich kürzer wurden. Mit dem Wechsel der Jahreszeiten würden Kälber und Fohlen geboren werden, man würde Wein, Weizen und Gerste ernten, und vielleicht kamen auch Kinder zur Welt. Und mit dem Frühling würde Coryn endlich eintreffen.
Vor den ersten heftigen Schneefällen kehrte auch Julian samt seiner Amme und einem kleinen Gefolge zurück. Als er eingeschlafen war, wanderte Taniquel durch die leeren Säle und hörte im Geist fröhliches Kinderlachen. Doch ob es sich um eine Erinnerung an ihre eigene Kindheit oder um eine Zukunftsvision handelte, vermochte sie nicht zu sagen.
Als alle eingeschlafen waren, stand Coryn Leynier, einst Laranzu und Unterbewahrer des Turms von Neskaya, nunmehr Gemahl der Königin und Regentin Taniquel Hastur-Acosta, auf den Zinnen von Burg Acosta. Zu seinen Füßen schimmerte das junge Grün des Frühlings im Mondschein. Geistesabwesend massierte er die knotige Narbe an seiner rechten Seite, aus der die Heiler den letzten Rest des blauen Feuers herausgeschnitten hatten. Fünf Jahre waren seit der Katastrophe von Neskaya ins Land gegangen, und das Taubheitsgefühl in dem nachwachsenden Gewebe ließ nur langsam nach. Wenn ihn wie in dieser Nacht Albträume schweißgebadet aus dem Schlaf rissen, fuhr er noch immer instinktiv mit dem Finger über die Narbe - den sichtbaren Beweis, dass er nie mehr wie früher sein würde.
Wieder einmal staunte er über den Gegensatz zwischen dem zeitlosen Frieden solcher Nächte und der lärmenden Hast der Tage. Von Sonnenaufgang bis zum späten Abend summte Burg Acosta vor Geschäftigkeit, die sich keineswegs auf die Wiederherstellung des Königreichs beschränkte. Unabhängig voneinander hatten Taniquel und Coryn die Idee gehabt, die Turmarbeiter aus Neskaya und Tramontana nach Acosta einzuladen. Hier konnten sie während ihrer Genesung in Ruhe ihre Studien fortsetzen. Eines der Soldatenquartiere war zur Krankenstation umgebaut worden, dort wurden auch Umschulungen zu anderen Tätigkeiten angeboten. In einem etwas abseits gelegenen Gebäude trainierten diejenigen ihre Laran-Fähigkeiten, die ihre Kräfte nicht gänzlich eingebüßt hatten.
Auch Bernardo war der Aufforderung gefolgt, in Begleitung Lianes; doch der ehemalige Bewahrer des Turms von Neskaya war schon im ersten Winter mitten im Schlaf gestorben. Während der Vorbereitungen für ihre Rückreise hatte Liane aus Verdanta die Nachricht erhalten, dass dort eine Hochzeit bevorstand. Ihr älterer Bruder, der neue Lord Storn, und Eddard waren nach längerem Zögern übereingekommen, sich zu verbünden, und hatten daraufhin wie zwei alte Kupplerinnen die Köpfe zusammengesteckt. Zuerst hatten sie Liane mit Petro vermählen wollen, doch nach mehreren gegenseitigen Besuchen hatte sich Petro in Lianes scharfzüngige jüngere Schwester verliebt, und die Sache wurde auf diese Weise bereinigt.
Liane war über die Aussicht, als alte Jungfer zu enden, nicht übermäßig betrübt. Man hatte ihr einen Platz in Dalereuth angeboten, wohin sie in wenigen Monaten aufzubrechen gedachte.
Bronwyn war gar nicht erst nach Acosta gekommen. Sie sollte, sobald sie wieder reisefähig war, einen Posten in Hali antreten.
Von dem alten Kreis aus Tramontana war nur noch Aran übrig.
Er würde bis zu seinem Lebensende mit einem unzählige Male gebrochenen, verkrüppelten Bein herumlaufen, saß jedoch noch immer so elegant im Sattel wie ein Zentaur. Erst diesen Nachmittag war er mit dem kleinen Julian ausgeritten und hatte ihm den richtigen Umgang mit seinem neuen Pony beigebracht. Julian war jetzt sieben und hatte sich mit Tessas Erstgeborenem angefreundet, der nach Acosta in Pflege gegeben worden war. Auch Liane, sein »Tantchen«, das von ihm ganz hingerissen war, liebte er zärtlich. Nicht einmal mehr ein Jahrzehnt, und sie würden alle vor Kummer über den Burschen graue Haare bekommen.
»Ich lasse dich nicht allein, Bredu«, hatte Aran gesagt, als ihm
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