Darkover 05 - Zandrus Schmiede
Schultern ein wenig sinken.
Einer nach dem anderen nahm ihren Platz ein. Jeder hatte eine persönliche Erinnerung an Königin Taniquel anzubieten. Nicht an die legendäre Heldin, sondern an die Frau - menschlich, fehlbar und geliebt.
Kann irgendwer von uns mehr verlangen, als dass man sich so an uns erinnert?, fragte sich Varzil.
Ohne es geplant zu haben, trat auch er an Taniquels Grab. »Ich hatte nie das Privileg, sie zu kennen, aber sie hat mein Leben berührt. Indem die Menschen, die sie kannten, sich hier an sie erinnert haben, hat sie mir das Wissen geschenkt, dass hinter jeder Legende eine ganz normale Person steckt, die in ihrem Leben außergewöhnlichen Prüfungen gegenüberstand und an ihnen gewachsen ist. Dass die Art, wie die Welt und die Geschichte uns sehen, ganz anders ist als unser Blick auf uns selbst. Bei der Erinnerung an sie werde ich ermahnt, dass es nicht Ruhm ist, sondern innere Wahrheit, was uns zu dem macht, was wir sind. Möge diese Erinnerung die Trauer lindern.«
Er kehrte wieder zurück an Felicias Seite. Ihre Augen, grün wie der Frühling, wie das Meer, das er nie gesehen hatte, begegneten seinem Blick. Er öffnete ihr seinen Geist, und für einen bebenden Augenblick gab es keine Trennung, keinen Unterschied zwischen ihnen. Dann drangen die Geräusche der Versammelten zu ihnen.
»Verzeih mir, es war unhöflich, dich so anzustarren«, sagte er und bot ihr den Arm.
»So etwas wie Unhöflichkeit gibt es nicht.« Sie legte die Fingerspitzen auf seinen Ärmel, so leicht, als berühre ihn eine Feder. »Nicht unter Bredin.«
Sie benutzte die Pluralform des Wortes, die ebenso Geschwister wie Liebende bedeuten konnte.
Haben wir nicht von Geist zu Geist gesprochen?, fragte sie. Und gab es nicht Zeiten, in denen wir das Gleiche dachten?
Er musste sich die Antwort verbeißen, denn Carolin kam auf ihn zu. Mit einem Nicken verließ Felicia sie und ging zu Liriel.
»Mein Freund«, sagte Carolin, »ich kann nicht mit dir nach Thendara zurückkehren, aber ich würde dich sehr gern noch länger sehen. Ich hoffe, du musst nicht sofort nach Arilinn zurückkehren?«
»Man erwartet mich in Arilinn noch eine Weile nicht«, antwortete Varzil. »Wir können nicht sofort zurückkehren, denn selbst wenn wir frische Pferde hätten, würden die Damen sich ausruhen wollen.« Er fügte nicht hinzu, dass Felicia ein paar Angelegenheiten bezüglich des Nachlasses ihrer Mutter regeln musste.
»Wenn ich Liriel richtig kenne, haben wir also mindestens einen Zehntag oder zwei«, sagte Carolin. »Die Zeiten haben sich verändert, seit wir für einen solchen Zweck einen Luftwagen schicken konnten.«
»Serrais hat nun die Luftwagen ausschließlich für den militärischen Gebrauch reserviert«, sagte Varzil. »Das Luftfeld von Arilinn ist geschlossen, wusstest du das?«
»Ja, das haben wir gehört.«
Sie gingen zusammen zu dem Bereich, wo die Diener mit ihren Pferden standen. Carolin sagte: »Wenn du Zeit hast, kannst du vielleicht mit mir zum Blauen See reiten. Das ist der Landsitz, auf dem ich aufgewachsen bin. Ich habe dort einiges zu erledigen und würde Gesellschaft zu schätzen wissen. Es ist so viele Jahre her, seit wir zusammen in Arilinn waren.«
Nach seiner Rückkehr ins Hastur-Schloss ging Carolin als Erstes in die Gemächer seines Onkels. Rakhal war dort, saß an dem wunderschön eingelegten Spieltisch, auf dem nun ein paar verteilte Burgen standen. Rakhal legte es eindeutig darauf an zu verlieren, um das Spiel zu verlängern und den König weiter damit zu amüsieren.
König Felix blickte auf. Das Spätnachmittagslicht fiel auf sein Gesicht, ließ seine Augen farblos aussehen und verwandelte seine Wangen in ein Netz winziger Falten. »Setz dich, mein Junge.«
Carolin setzte sich, tauschte ein paar Höflichkeiten aus und richtete Lady Liriels Grüße aus, wie sie ihn gebeten hatte. Der König erinnerte sich an wenig von den Angelegenheiten des Morgens, denn das Begräbnis hatte in aller Stille stattgefunden.
Sobald es angemessen war, verabschiedete sich Carolin. Er würde die halbe Nacht aufbleiben und sich mit der Arbeit beschäftigen müssen, die er wegen der Beisetzung beiseite geschoben hatte, nicht zu reden von diesem überlangen und nutzlosen Gespräch mit dem König. Der Blaue See rief nach ihm, er sehnte sich nach der Schlichtheit und der Freiheit des Landsitzes.
Er sehnte sich auch danach, Zeit mit Varzil zu verbringen. Er hatte nie das Gefühl der Verbundenheit mit seinem Freund
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