Darkover 05 - Zandrus Schmiede
Männer und Frauen einander freizügig in ihren Räumen. Die Arbeit in den Kreisen führte hin und wieder für beide Geschlechter zu Perioden der Enthaltsamkeit, und man nahm an, dass jeder Erwachsene imstande war, seine oder ihre Angelegenheiten zu regeln. Aber als er nun dort in seinem Nachthemd dasaß, gegenüber von Felicia mit ihrer aufrechten Haltung und ernsten Miene, die die Hände ordentlich im Schoß gefaltet hatte, wurde er verlegen. Mit einem bedauernden inneren Lächeln fragte er sich, ob sie wohl eine Anstandsdame brauchten.
»Möchtest du - darf ich dir einen Becher Wein anbieten? Oder soll ich einen Kyrri nach heißem Jaco schicken?«
»Ich muss dich um einen Gefallen bitten«, begann sie. Ihre Stimme war zwar fest, aber tiefer als sonst.
Selbstverständlich…
»Nein.« Sie schüttelte den Kopf und bestand auf laut ausgesprochenen Worten. »Es ist kompliziert. Bitte hör mich erst an.«
»Also gut«, sagte er laut und lehnte sich zurück, um ihr zu bedeuten, dass sie auf ihre eigene Weise, in ihrem eigenen Tempo, fortfahren solle.
»Heute Abend habe ich an den Relais gearbeitet«, begann sie. »Ich habe Nachrichten von persönlicherer Wichtigkeit gehört, als die Absender in Hali wussten. Königin Taniquel Hastur-Acosta ist gestorben.«
Varzil blinzelte. »Die Königin Taniquel? Die aus den Balladen? Mir war nicht klar, dass sie noch lebte.« Diese tragischen Ereignisse lagen nur eine Generation zurück. Aber der Ruhm der Legenden hatte bewirkt, dass sie ihm viel entfernter vorgekommen waren.
Felicia lächelte ein wenig traurig. »Sie wollte nicht… nach allem, was geschehen war, zog sie sich aus dem öffentlichen Leben zurück.«
Varzil wartete darauf, dass sie fortfuhr. Diese Nachricht hatte Felicia zweifellos tiefer getroffen, als es beim Hinscheiden einer berühmten Königin gerechtfertigt gewesen wäre.
»Sie wird in Hali beigesetzt werden, am Rhu Fead, bei ihren berühmten Ahnen. Es wird eine vertrauliche Angelegenheit sein, aber ich muss dabei sein.« Sie hielt inne, schaute in die Ferne und sah etwas, das nur sie sehen konnte. Das Feuer knisterte, und das flackernde Licht färbte ihre glatten Wangen rötlich. Eine ungeweinte Träne glitzerte in ihrem Augenwinkel.
So leise, dass er die Worte kaum hören konnte, sagte sie: »Sie war meine Mutter.«
Einen Augenblick lang war er nicht sicher, ob er sie richtig verstanden hatte. Sein erster Impuls bestand darin zu zweifeln, als hätte sie behauptet, die Tochter der gesegneten Cassilda oder von Naotalba zu sein. Plötzlich verstand er ihre Zurückhaltung - und dass sie so darauf bestand, selbst etwas zu leisten.
Er lächelte sanft. »Ich kannte deine Mutter nur als die Heldin von Liedern. Es tut mir Leid, dass ich nie das Privileg hatte, sie kennen zu lernen.«
Sie seufzte, und etwas von ihrer eisernen Haltung verschwand. »Es hat etwas so Tröstliches, mit dir zu sprechen. Du bist der Einzige, bei dem ich mich darauf verlassen kann, dass er nicht in die Halle hinunterrennt und die Neuigkeit herausposaunt. Mir wäre es lieber, wenn meine Herkunft nicht allgemein bekannt wäre. Selbst jetzt. Ich hoffe, du verstehst, warum.«
Er sah sie vor seinem geistigen Auge, wie sie eine Straße in Hali oder in Arilinn entlangging, sah Menschen, die sich um sie drängten, erst ihren Namen riefen und dann: »Taniquel! Königin Taniquel!«, und die Hände ausstreckten, nicht nur einer oder zehn oder zwanzig, sondern hunderte Hände, Augen und Rufe, wohin immer sie sich wandte, sah, wie sie sich anstrengen musste, um ihre Laran-Barrieren gegen den Andrang solcher Anbetung, diesen Hunger nach einer Heldin, aufrechtzuerhalten.
Es ist unmöglich, dachte er. Kein menschliches Wesen kann einer Legende gerecht werden. Nicht Königin Taniquel und auch du nicht.
Du bist da draußen gewesen, antwortete sie schweigend. Du weißt, wie verzweifelt sich diese Menschen nach jemandem sehnen, der sie rettet. Und nicht nur in Arilinn, sondern in Dalereuth, in Temora… in Thendara… überall.
»Wer weiß es außer mir noch?« Wer du wirklich bist.
»Hier? Nur Auster und jetzt du. Wenn ich ein Mann wäre, könnte ich einfach nach Thendara reisen, und niemand würde mich dabei aufhalten. Aber das ist leider nicht der Fall. Also hat Auster dafür gesorgt, dass ich als Teil des Gefolges von Lady Liriel Hastur reisen kann. Sie kennt mich nur als entfernte Verwandte aus einem unwichtigen Zweig der Familie und Leronis von Arilinn.«
Liriel Hastur war im vergangenen
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