Darkover 05 - Zandrus Schmiede
persönliche Schwierigkeiten des Wirts zurückzuführen oder auf die hohen Steuern, die die Armee und den Turm finanzierten?
Ich muss sehen, ob ich das diskret herausfinden kann, dachte er kurz vor dem Einschlafen. Morgen früh.
Carolin erwachte ruckartig in einem trüben, dunstigen Licht. Es war immer noch Nacht. Rings umher knarrten die Balken des Hauses. Er hörte Schnarchen von der anderen Seite der dünnen Innenwand. Die Fragmente seines letzten Traums lösten sich auf, Fetzen von Geräuschen und Bildern. Jemand hatte nach ihm gerufen - Varzil?
Er konzentrierte sich, wie man es ihm vor so langer Zeit in Arilinn beigebracht hatte. Er hörte keine Antwort, aber er versuchte es noch einmal. Er lauschte…
Seine Gedanken wandten sich den Aufgaben zu, die vor ihm lagen. Er hatte von bösen und von guten Dingen gehört, von Lyondris Wachen, von Steinwürfen und Protesten gegen Steuern, von Bestechung und Nepotismus in den Cortes, von ungünstigen und trivialen Entscheidungen des immer seniler werdenden Königs Felix. In den letzten paar Jahren war es ihm weniger und weniger möglich gewesen, seinen Onkel zu beeinflussen, der keine Spur von Kritik oder Widerspruch mehr dulden wollte. Er hatte Rakhals Schmeichelei vorgezogen. Also hatte Carolin abgewartet und getan, was er konnte. All das würde sich jetzt ändern. Ich bin jetzt König. Das hier ist mein Volk. Ich werde mit Ehre und Gerechtigkeit herrschen.
Schöne Worte, das wusste er, zerbrachen häufig an der kalten Wirklichkeit. Aber zumindest würde er so gut beginnen, wie er konnte. Er würde Berater um sich sammeln, denen er vertrauen konnte, Männer, die offen mit ihm sprachen und nicht nur ihren eigenen Vorteil verfolgten.
Ein Lächeln umspielte seine Lippen. Er würde Varzil nach Hali holen, und zusammen würden sie Neskaya wieder aufbauen, wie sie es geplant hatten. Es würde ein Symbol eines neuen Zeitalters sein, einer neuen Hoffnung auf Frieden, ein Ort, an dem Krone und Turm die Waffen niederlegen würden. Mit dieser Vision schlief er wieder ein.
Am nächsten Morgen erhob sich der Wind abermals und peitschte den Schnee so auf, dass man praktisch nichts sehen konnte.
»In diesem Wetter können wir nicht reisen«, erklärte der Hauptmann. Er war zum Stall gegangen, um sich um die Pferde zu kümmern, und war beinahe umgeblasen worden. »Wir hätten uns verirrt, noch bevor wir zehn Schritte zurückgelegt haben.«
Widerstrebend stimmte Carolin ihm zu. Von der Nacht war ihm ein Gefühl unklarer Dringlichkeit zurückgeblieben, aber er sagte sich, dass Hali in den Händen der Regenten sicher war. Der Thron würde auf seine Rückkehr warten. Er hatte kein Recht, sein Leben in einem Schneesturm aufs Spiel zu setzen. Außerdem war das Gasthaus gemütlich und warm, und das hervorragende Ale des Wirts floss reichlich.
32
Einen vollen Zehntag später machten Carolin und seine Leute sich schließlich wieder auf den Weg. Die Luft war sehr kalt und klar. Eis verkrustete den Schnee, aber die Pferde waren frisch und begierig, sich zu bewegen. Ihr Atem stieg in weißen Nebelwolken auf, ihre Hufe brachen mit knirschenden Geräuschen durch die brüchige Oberfläche, das Zaumzeug klirrte, das Sattelleder knarrte. Als die Sonne vollständig aufgegangen war, erfüllte Licht das Tal. Hinter ihnen lagen die Gipfel von Nevarsin. Die Straße wand sich vor ihnen, vorbei an Feldern und Bauernhöfen unter einer Decke aus glitzerndem Weiß. Die Tage wurden ein wenig wärmer, genug, um das Eis zu schmelzen. Einer der Männer fing an zu singen, ein Wanderlied mit einem starken, treibenden Rhythmus. Die anderen fielen ein.
Carolins Laune besserte sich. Was für ein Tag, am Leben zu sein! Der Wind ließ seine Wangen brennen und fuhr mit kalten Fingern durch sein Haar.
Er spürte den Hufschlag auf der Straße vor ihnen, noch bevor irgendwer das Geräusch hörte. Mit einem Zeichen bedeutete er seinen Männern, die Pferde zum Schritt zu zügeln. Der Schnee auf der Straße dämpfte das Geräusch, aber nach einem Augenblick bestand kein Zweifel mehr.
Ein einzelner Reiter erschien, eine dunkle Gestalt vor dem Weiß von Straße und Feld.
Der Hauptmann ritt nach vorn, platzierte sich zwischen Carolin und dem sich rasch nähernden Reiter. Er zog sein Schwert.
Carolin wollte ihm gerade sagen, er sollte den Waffenstillstand nicht durch unüberlegte Taten gefährden. Unbehagen streifte seine Gedanken. Sein Pulsschlag beschleunigte sich heftig. Die schwarze Stute tänzelte und zerrte
Weitere Kostenlose Bücher