Darkover 07 - Die Zeit der Hundert Koenigreiche
in der alten Kapelle aufgebahrt worden; treue Dienstboten, darunter der alte Gwynn, hielten bei ihnen Wache. Paul vermied es, die Kapelle zu betreten. Er wußte, daß er - daß Bard - das unterließ, machte einen seltsamen Eindruck, aber er fürchtete die scharfen Augen des alten Gwynn.
Draußen vor der Kapelle wurde Paul von zweien der wichtigsten Ratgeber abgefangen.
»Lord General, wir müssen mit Euch sprechen.«
»Ist das jetzt der richtige Zeitpunkt, wo… « - Paul holte Atem und fuhr entschlossen fort - »… mein Vater und mein Bruder noch nicht zur Ruhe gebettet worden sind?« Er hatte Alaric nie gesehen, und von Dom Rafael wußte er nur, daß der Mann ihn durch Hexerei hergeholt hatte. Er fühlte keine Trauer und wagte es nicht, Trauer vorzutäuschen.
»Wir dürfen keine Zeit verlieren«, antwortete Dom Kendral von High Ridge, der, wie Paul wußte, Oberster Ratgeber des Königreichs von Asturias war. »Alaric von Asturias ist tot, und sein Regent auch. So ist die Sachlage. Valentine, Ardrins Sohn, ist noch ein Kind, und wir wollen hier keine Hastur-Marionetten haben. Wir sind bereit, Euren Anspruch auf den Thron zu unterstützen, Bard di Asturien.«
Paul konnte nur stammeln: »Großer Gott!«
Es wäre schon bizarr genug gewesen, wenn der Oberste Ratgeber des Königreichs dem wirklichen Bard mac Fianna, Nedestro und Gesetzloser, dem Kilghard-Wolf die Krone angeboten hätte.
Unvorstellbar war es, daß er die Krone Paul Harrell anbot, dem Fremden, dem Rebellen, verurteilten Kriminellen und Mörder! Dem Flüchtling aus der Stasis-Zelle!
»Die Zeit drängt, Sir. Wir befinden uns im Krieg, und Ihr seid bei der Armee beliebt. Die Armee würde niemals ein Kind als König anerkennen, nicht im jetzigen Augenblick. Und Ihr seid der Lord General.«
Wo, zum Teufel, steckt Bard? dachte Paul wild. Mußte er in diesem wichtigen Moment abwesend sein?
»Wir müssen einen König haben, Sir. Wenn die Hasturs gegen uns ziehen, können wir nichts gegen sie unternehmen! Wir haben heute morgen gesehen, wie Ihr die Ordnung unter den Soldaten wiederherstelltet. Meiner Ansicht nach seid Ihr der einzige König, den das Volk akzeptieren wird.«
Finster sagte sich Paul, daß eine Ablehnung für ihn unmöglich war. Bard war verschwunden, niemand wußte, wohin, und jeder hier hielt ihn für Bard. Bard hatte oft genug gesagt, er wolle nicht König sein. Aber, so überlegte Paul, wenn Bard jetzt hier wäre, in den Trümmern der Burg, dann hätte er sich angesichts einer Armee ohne Führer und eines Landes ohne König ebenfalls der Notwendigkeit gebeugt.
»Ich nehme an, ich habe keine andere Wahl.«
»Nein, Sir, die habt Ihr nicht. Es gibt tatsächlich keinen anderen, versteht Ihr.« Lord Kendral zögerte. »Noch etwas, Sir. Ihr seid einmal mit Ardrins jüngerer Tochter verlobt worden, aber Ardrins Linie ist zur Zeit nicht populär. Nicht seit Königin Ariel auf diese Weise davonrannte. Ihr werdet einen Erben designieren müssen, Sir, und da Ihr keine Brüder, keine lebenden Brüder habt, bleibt Euch nur, Euren Sohn zu legitimieren. Jeder weiß, wer seine Mutter ist. Es könnte sich sehr günstig auswirken, wenn Ihr Mistress MacAran heiratetet - Lady Melisandra meine ich natürlich, vai dom . Das würde der Armee gefallen.«
Und so wurde Paul Harrell, Rebell und zur Stasis-Zelle verurteilter Verbrecher, in dem unbeschädigt gebliebenen alten Audienzsaal bei Lampenlicht zum König gekrönt und di catenas mit Melisandra MacAran, Leronis , verheiratet. Zwei Gedanken hatten in Pauls Kopf die Vorherrschaft, als Meister Gareth ihre Hände über den rituellen Armbändern zusammenlegte und sprach: »Möget ihr für immer eins sein.«
Der eine war Dankbarkeit dafür, daß Erlend zu Bett gebracht worden war.
Der andere war wilde Neugier: Wo zum Teufel steckte Bard di Asturien, und was würde er sagen, wenn er entdeckte, daß sein Double sich auf den Thron gesetzt… und ihm eine Königin beschert hatte!
8
Varzil brauchte fast den ganzen Tag dazu, jemanden zu finden, der sein Amt in Neskaya übernehmen konnte, und so reisten sie erst am nächsten Morgen nach Asturias ab. Melora hatte ihren Esel satteln lassen und warnte Bard lachend, sie reite heute nicht besser als vor Jahren auf diesem längst vergangenen Feldzug. Bard beobachtete sie und stellte fest, daß sie immer noch auf ihrem Esel hockte wie ein auf den Sattel geworfener Sack Mehl. Merkwürdig, Melisandra ritt
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