Darkover 17 - Die blutige Sonne
Bewahrerin, eine Tenerésteis , durfte nicht in Lust und nicht einmal in reinster Liebe berührt werden.
Er hatte gehört, was sie über Cleindori sagten, die diesen Eid gebrochen hatte, und noch schlimmer, er hatte gespürt, was sie darüber empfanden. (Und auch sie hatte sich mit einem der verachteten Terraner eingelassen!)
In seinem alten Leben hätte Kerwin sich vielleicht damit verteidigt, daß Elorie ihn deutlich aufgefordert habe. Sie hatte ihn zuerst berührt, sie hatte ihm die Lippen geboten. Aber nach dieser Zeit in Arilinn, wo schonungslose Ehrlichkeit sich selbst gegenüber gefordert wurde, gab es diesen einfachen Ausweg nicht mehr. Er war sich des Tabus und Elories Unwissenheit bewußt gewesen; er kannte ihre unbefangene Art, mit der sie den anderen ihres Kreises ihre Zuneigung zeigte, voller Vertrauen in das Tabu, das sie schützte. Für sie alle war Elorie geschlechtslos und sakrosankt. Sie hatte Jeff auf die gleiche Weise akzeptiert - und er hatte ihr Vertrauen mißbraucht!
Er liebte sie. Er wußte jetzt, daß er sie geliebt hatte, seit er sie zum ersten Mal sah, oder noch früher, als sich ihre Gedanken durch die Matrix berührten und er ihr leises Ich erkenne dich gehört hatte. Und jetzt sah er nichts mehr vor sich als Schmerz und Entsagung.
Taniquel - seine Beziehung zu Taniquel kam ihm nun wie ein Traum vor. Ihm wurde klar, daß es Dankbarkeit für ihre Freundlichkeit und Wärme gewesen war, für die Tatsache, daß sie ihn von Anfang an anerkannt hatte. Er mochte sie immer noch gern, aber was für einige Zeit zwischen ihnen gewesen war, konnte eine Unterbrechung der sexuellen Verbindung nicht überleben. Es war nie so wie diese Liebe gewesen, die sein ganzes Bewußtsein verschlang. Er wußte, er würde Elorie bis an sein Lebensende lieben, auch wenn er sie nie wieder berühren durfte und sie ihm nicht das geringste Zeichen gab, daß sie seine Liebe erwiderte.
(Aber das hatte sie bereits getan… )
Schlimmer war seine schreckliche Angst. Kennard hatte ihn vor den Gefahren einer nervösen Erschöpfung gewarnt und ihm geraten, sich in den Tagen unmittelbar vor einer schweren Matrix-Arbeit von Taniquel fernzuhalten, um seine Energie nicht zu verausgaben. Die Bewahrerinnen stimmten sich selbst vollständig mit Körper und Geist auf die Matrizes ein, mit denen sie arbeiteten. Darum durften sie niemals von der Spur einer Emotion berührt werden und noch weniger von Sexualität. Kerwins Gedanken wanderten zurück zu seinem ersten Abend in Arilinn. Elorie war verstört über den harmlosesten Flirt, eine bloße galante Bemerkung gewesen. Sie hatte gesagt, Bewahrerinnen würden ihr Leben lang für ihre Arbeit ausgebildet, und manchmal verlören sie die Fähigkeit dazu schon nach sehr kurzer Zeit. Neyrissa hatte ihm dazu erzählt, es gebe keine anderen Bewahrerinnen. Deshalb war es Elorie unmöglich gemacht, wie die Bewahrerinnen der Vergangenheit ihr hohes Amt einer Heirat oder der Liebe wegen niederzulegen.
Und jetzt, wo vielleicht das Schicksal Darkovers von der Stärke des Arilinn-Turms abhing - und vielleicht von Elorie allein, denn die Stärke des Turms beruhte auf der Kraft seiner Bewahrerin -, jetzt hatte er, Jeff Kerwin, der Fremde in ihrer Mitte, der Außenseiter, den sie an ihr Herz gezogen hatten, sie verraten und den Schutzwall um ihre Bewahrerin durchbrochen.
An diesem Punkt angelangt, setzte Kerwin sich auf und barg das Gesicht in den Händen. Er versuchte, seine Gedanken ganz abzuschalten. Das war schlimmer als Austers Anschuldigung, er sei ein Spion, der dem Imperium Informationen liefere.
Allein in der Nacht kämpfte er mit sich, bis er sich nach schwerer Schlacht besiegt hatte. Er liebte Elorie, aber seine Liebe konnte sie als Bewahrerin vernichten. Und ohne Bewahrerin würden sie in der Arbeit, die sie für das Pan-Darkovanische Syndikat durchführten, versagen, und dann sah sich das Syndikat gerechtfertigt, die Terraner hereinzuholen, Experten in der Umwandlung Darkovers zu einem Abbild des Imperiums.
Ein verräterischer Teil seiner selbst fragte: Wäre das so schlimm? Früher oder später würde auch Darkover Bestandteil des Imperiums werden. Das wurde jeder Planet.
Und selbst für Elorie, sagte er sich, würde es besser sein. Keine junge Frau sollte so leben wie sie, isoliert, unter Verzicht auf alles, was das Leben lebenswert machte. Keine Frau sollte ihren Körper als Maschine betrachten, die nichts weiter zu tun hat, als die
Weitere Kostenlose Bücher